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Seidelsche Buchhandlung <Wien> [Editor]; Buch- und Kunstantiquariat Doktor Ignaz Schwarz <Wien> [Editor]
Katalog der hervorragenden Bibliothek des Wiener Schriftstellers Friedrich Schlögl: enthaltend eine reichhaltige Sammlung von seltenen Büchern über das alte Wien, das frühere Gesamt-Österreich u. Ungarn ; ferner eine bedeutende Sammlung von Seltenheiten aus dem Gebiete der deutschen Literatur, besonders aus der klassischen und romantischen Periode ; Versteigerung am 21. Februar u. ff. Tage — Wien, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.21652#0015
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Schlögl: B ü c h er-Fr e un d e und Bücher-Narren.

* - *

Einige der enragiertesten Sammler entledigten sich plötzlich
infolge Anwandlung einer trüben Laune oder einer anderen .Ge-
schmacksrichtung oder durch sonstige unabwendbare Einflüsse
genötigt, ihrer teuersten Schätze und sahen diese in fremden
Besitz ziehen und blieben bei diesem Anblicke gleichgiltig und
kühl „bis an's Herz hinan", wie beim Abschiede einer zur Last
gewordenen Ex-Geliebten. So überließ Herr Latour seine herr-
liche altdeutsche Sammlung an Schratt, welcher die Pracht-
Juchteneinbände abriß und die ehrwürdigen Folianten und Quar-
tanten in konforme Holz-, Schweinsleder- und Pergamentdeckel
kleidete. So verkaufte Kuppitsch seine klassische Kollektion an
Asher (für Berlin und London), was diese Herren jedoch nicht
hinderte, kurz darauf eine neue, vielleicht nur nach einer anderen
Richtung dirigierende, aber immerhin kolossale Sammlung an-
zulegen. Ganz untreu wird, wer je einmal von dieser Leiden-
schaft gefangen, ihr selten oder nie. •

Wieder andere zwang ein unerbittliches Geschick in Gestalt
eines Handelsgerichts-Erlasses, sich von ihrem Liebsten zu trennen.
Da gab es wohl viel Leid und Wehklagen und gar schmerzliche
Szenen, die mich oft selbst mächtig ergriffen und mich trüb
stimmten, obwohl es mir dadurch gelang .eines oder des anderen
Stückes nun habhaft zu werden. Man erzählt ja von leiden-
schaftlichen Bücherfreunden die grausamsten Dinge, wie ihnen
des erhofften Besitzes eines seltenen Exemplares wegen die ruhige
Besinnung abhanden gekommen, wie sie in dieser Gier zu Ver-
brechen sich verleiten ließen, falsche Eide schworen, vor Treu-
bruch, Diebstahl, Raub, ja selbst vor einem Morde nicht zurück-
schreckten, wenn sie Aussicht hatten, zu einer „raren Edition"
oder gar zu einem „Unikum" zu gelangen. Zu Ehren der Schutz-
göttin der keuschen Bücherliebe will ich an solche schreckliche
Legenden nicht glauben ....

Aber zugeben will und muß ich, daß der eingefleischte
Büchernarr und Bücherfex nicht nur im „Paroxismus der
• Tobsucht",, sondern überhaupt und im gewöhnlichsten Stadium
seines Seelenzustandes der tollsten Streiche fähig ist. Bricht ein
derlei Unsinnsgebäude, das ein solcher Bücher-Idiot im Stillen
.aufgetürmt, zusammen, dann gibt es genug zu schauen, was
der Sam m el-Wahn witz in verhältnismäßig kurzer Zeit zu leisten
imstande war. Ich habe von einem General erzählt, der seinen
Leibdiener zum soi disant „Leibbuchbinder" umgestaltete. Der
Mann fand mehrere Nachahmer; ein anderer Militär ließ es sich
ein schweres Stück Geld kosten, um aus seinem ungelehrigen
Furierschützen ebenfalls einen ausgezeichneten „Pappenheimer"
zu machen. Der Herr putzte die Stiefel, fegte die Zimmer, reinigte

der Bibliothek Friedrich Schlögl.
 
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