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Seidelsche Buchhandlung <Wien> [Editor]; Buch- und Kunstantiquariat Doktor Ignaz Schwarz <Wien> [Editor]
Katalog der hervorragenden Bibliothek des Wiener Schriftstellers Friedrich Schlögl: enthaltend eine reichhaltige Sammlung von seltenen Büchern über das alte Wien, das frühere Gesamt-Österreich u. Ungarn ; ferner eine bedeutende Sammlung von Seltenheiten aus dem Gebiete der deutschen Literatur, besonders aus der klassischen und romantischen Periode ; Versteigerung am 21. Februar u. ff. Tage — Wien, 1921

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.21652#0023
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Schlögl: Bücher-Freunde und Bücher-Narren.

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Nachdruck der „Klassiker" befürwortete und mit seinem
Notvorschlage auch durchdrang. Nun war Freude im ganzen
Lande, obwohl Wien von den rechtmäßigen Verlegern ein
„Raub nest" genannt wurde. Aber was war bei jenen Anschau-
ungen ansonst zu tun, da die heimischen Autoren — keine
Klassiker waren und der vaterländische Buchhandel doch unter-
stützt werden sollte und mußte? So öffneten sich denn die freilich
unsauberen Schleußen, aus denen die treugehorsamsten Untertanen
ihre Bildung beziehen konnten, und männiglich kaufte und
abonnierte den löschpapierenen, zugestutzten, aber mit Druckfehlern
reich ausgestatteten Nachdruck. Die heutige Generation
hat keine Ahnung, wie kostspielig ihren Vorfahren das Lese-
und Bildungsgelüste kam. Heute, wo Cotta eine zwölfbändige
Originalausgabe Schiller's (auf Velin) für zwanzig Silber-
groschen (1 fl. ö. W.) offerierte, klingt es wie ein Märchen,
daß Maus berger seinen tantieme- und honorarlosen Nach-
druck, auf dem elendesten Papier und in rohester Ausstattung,
um 36 fl. W. W. (36 Bände _ä .24 kr. Konv.^'Münze) massenhaft
vertreiben konnte. Heute, wo der lernbegierige Jüngling um
zehn Kreuze rein Werk Shakespeare's, Goethe's, Jean Paul's
usw. aus RecJ-am's verdienstlicher „Universal-Bibliothek" zu
akquirieren vermag, kommt es mir wie ein närrischer Traum vor,
daß es einst zu den unerschwinglichen Postulaten der nur wenig
bemittelten Jugend gehörte, sich derlei heiß ersehnte Freuden zu
bereiten. Wie billig ist heute die Möglichkeit der Bildung und'
Belehrung geworden, heute, wo sogar der Schulunterricht umsonst
geboten wird. . .

Was ich mit meiner retrospektiven Umschau in der Welt-
der „Wiener Bücherei" bezwecken wollte? Nichts weiter, als
ein Bild in flüchtigen Umrissen zu geben, von dem Geschlechte
der „Bücherfreunde und Bücherfexe", von ihren Leiden
und Freuden, von ihren Sitten und Gewohnheiten, von ihren
Lastern und Tugenden und — was den ehrenwerten Genossen
in dieser Spezies edler Liebhaberei zur Befriedigung derselben
auf dem Wiener Platze geboten wird. Vieleicht kann die
anspruchslose Skizze als kleines Kulturbild gelten und wenigstens
den Beweis liefern, daß die frivole Phäakenstadt trotz alledem
und alledem doch Bücher kaufte und etwa sogar las. Der brave
Gräffer begleitete zwar seine monatlichen Antiquariats-
Verzeichnisse mit den wehmütigsten, heftigsten, freudigsten und
leidenschaftlichsten Appellworten an seine vielgeliebten Landsleute:
„Bücher zu kaufen!" Der Aermste ging elendiglich -zu
Grunde. Ist's heute doch besser? Ich muß einen Gelehrten fragen. . .

der Bibliothek Friedrich Schlögl.
 
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