Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Seidlitz, Woldemar
Die Kunst in Dresden vom Mittelalter bis zur Neuzeit (4): 1625 - 1710: [Johann Georg I <spätere Zeit> bis August der Starke <erste Zeit>] — Dresden, 1922

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43933#0156
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VIERTES BUCH • 1625-1710

Der 1664 in Biberach geborne Künstler, der bis 1731 wirkte, war schon vor 1693
nach Dresden gekommen und hatte 1693 für Johann Georg IV den Anhänger
mit dem hl. Georg zu dem englischen Hosenbandorden gefertigt <Verz. Nr. 800a).
Unmittelbar nach Beendigung des Kaffeeservices erhielt er 1701 den Auftrag zur
Herstellung des Hofhalts des Großmoguls in einer Menge kleiner emaillirter
puppenartiger Figuren nach einer zeitgenössischen Reisebeschreibung, den er bis
1708 mit Hilfe seines Bruders Georg Friedrich als Emailmalers beendigte <Verz.
Nr. 815). Dieses Werk ist trotz ungeheurer Arbeit und vortrefflicher Einzel»
heiten schon seiner Idee nach das unglücklichste, das er geschaffen hat, da es über
das Wesen eines, dazu noch überladnen Spielzeugs nicht hinauskommt.
DasWa ff en wesen tritt in dieser Zeit naturgemäß wenig hervor, dieFeuer»
waffen werden gegen die Jahrhundertwende in Frankreich zu wahren Kunst»
werken der Verzierung von vollendetem Stil ausgestattet,■ so die Flinte von
Le LanguedöC in Paris um 1700, vom Graveur Claude Simonin dekorirt und
ein ähnliches Paar Pistolen <Verz. Nr. 921 c d). Ausgezeichnet sind die 14 Paar
Pistolen von Piraube, mit den Jahrzahlen 1694, 1698 und 1700 (Abb. Taf. 94a),
sowie die »Müllerbüchsen« von Müller in Kassel (Verz. Nr. 921 e). Eine Jagd»
garnitur August des Starken von 1708 ist zu erwähnen (Verz. Nr. 926) — Ein
von Johann Georg <I) 1602 aus Italien mitgebrachtes türkisches Reitzeug wurde
von Johann Georg IV prachtvoll mit Rubinen ausgestattet und noch von seinen
beiden Nachfolgern bei ihren Krönungen in Krakau benutzt <Verz. Nr. 922),-
ein 1693 von demselben Kurfürsten bestelltes Reitzeug mit Perlen und Diamanten
diente August III bei seiner Krönung <Verz. Nr. 922a). Aus der Zeit Augusts
des Starken rührt ein Reitzeug her, das 1709 beim Besuch des Königs von
Dänemark benutzt wurde (Verz. Nr. 925a).
Die Herstellung von bemalten Gläsern (s. Verz. Nr. 909a) dauerte noch
bis ans Ende des 17 Jahrhunderts an,- die Gläser selbst wurden meist in Groß»
almerode in Hessen und Lauscha in Sachsen »Meiningen gefertigt. 1692 wurde
eine Glashütte bei Pretzsch angelegt, statt deren 1700 eine in Dresden in der Nähe
des Ostravorwerks eingerichtet ward, die mit Hilfe des Rats Walter von Tschirn»
hausen arbeiten sollte355). Unterdessen hatte sich das Schneiden der Gläser in
Böhmen immer weiter ausgebildet (ein solcher Pokal aus dem Anfang des 18 Jahr»
hunderts in der Dresdner Hofkellerei von Dreger in Lehnerts Gesch. d. Kunst»
gew. II S. 72 abgebildet). In der Porzellansammlung haben sich zwei röhren-
förmige schmale Gläser von ungeheuren Maßen, mit Deckeln, beide gravirt,
erhalten, die um 1700 entstanden sein mögen. — Aus der gleichen Zeit dürften
dort die beiden mittelgroßen Castellivasen stammen.

538
 
Annotationen