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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.1299#0291
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246 Viertes Hauptstück.

zusammengefügtes Schrankehwerk, welches nach der entgegen-
gesetzten Seite hin Extrem und gleichsam den -Uebergang zur
Zimmerei bildet, auch ganz nach den Prinzipien der Zimmer-
kunst, jedoch unter strenger Beobachtung des Grundmotives und
mit Eücksicht auf ornamentale Benützung der KonstruGtion, aus-
geführt ist. Dazwischen ein Mittelglied, das sich von beiden Ex-
tremen ungefähr gleich weit entfernt hält. Jenes erste feinere
Gitterwerk dient vorzüglich zur Bekleidung des unteren Theiles
der inneren Wände und besteht dort meistens aus wirklichem
Bambusgeflecht, das entweder in seiner natürlich-goldgelben Farbe
bleibt, oder buntfarbig lackirt und vergoldet wird. Ausserdem
vertritt es die Stelle der Thüren und der Fenstergerüste, bei
welchen letzteren dann nicht selten die Durchbrechungen mit
durchsichtigen Muscheln oder auch mit buntem Glase, das dort
schon in dem dritten Jahrtausende vor Christus zu Fensterschei-
ben benützt worden sein soll, oder auch mit Papier verschlossen
werden.- In vielen Fällen ist der friesartige freie Zwischenraum
zwischen der Decke und dem oberen Abschlüsse der Wand, von
dem noch später die Rede sein wird, nach seiner ganzen Breite
mit Lattenwerk verschlossen, das somit einen wesentlichen Theil
der dekorativen Ausstattung des Inneren der Häuser bildet. Bei
mehr monumentalen und solideren Gebäuden ist dasselbe nicht
selten in vergoldetem Metalle, in edlen eingelegten Hölzern oder
in Alabaster ausgeführt. ,.- '

: Die letztgenannte mittelstarke Sorte kommt besonders bei Gar-
tenpavillons und sonstigen luftigen Gebäuden als äusserer Abschluss
der Räumlichkeit in Anwendung. Zwischen die Säulen gespannt
und auf das Brüstungsgehege gestützt, bildet es in seinem zierlich
abwechselnden Genauster, wobei eine anmuthige Willkür sich
innerhalb geometrischer Grundformen bewegt, die die zu grosse
Monotonie und Strenge der letzteren bricht, in matter Vergol-
dung, mit den purpurnen Säulen die es halten und dem blitzend
grünen Glasurziegeldache über ihm, mit dem weissschimmernden
Marmorunterbau und endlich mit dem Azur des Himmels, der
durchblickt und in welchem der leichte Bau gleichsam schwimmt,
ein überaus reiches polychromes Ganzes.1

1 Mehrere derartige kaiserliche Pavillons sind in glänzender Farbenpracht
in der oben citirten Sammlung von Originalzeiehnungen zu Paris enthalten,
die eine sehr günstige Wirkung machen.
 
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