Textile Kunst. Aegyptische Säulenordnungen.
419
erhalten; dafür begegnen wir auf diesem Gebiete zwei andern
Säulenformen, wovon die eine den absoluten Gegensatz der pha-
raonischen Kelchsäule bildet, die zweite aber gleichsam die Knospe
und der Ansatz zu letzterer ist, eine entschiedene Uebergangs-
form. Bei der ersten, der sogenannten protodorischen Ord-
nung, tritt das struktive Element als alleinig formengebend auf.
Ein straff kannelirter, verjüngter, auch mitunter walzenförmiger
Schaft, in männlich schlanken Verhältnissen, trägt einen Abakus,
entweder unmittelbar, (Beni Hassan) 1 oder durch die Vermittlung
eines Wulstes, der durch mehrere Ringe oder Riemen mit dem
Schafte verbünden ist. Vielleicht suchte derselbe Priestergedanke,
welcher später die Kelch-
säule erdachte, vorher in
diesen nackt konstrukti-
ven Formen einen äqui-
valenten wenn auch an-
tiphonischen Ausdruck,
der Gedanke nämlich
durch scheinbar ur-
sprünglichste Motive der
Baukunst den Glauben
an die Autochthonie des
regime, welchem die Mo-
numente angehören, im Volke zu befestigen; man wollte die Säule
als den einfach abgefaseten (an den Ecken abgestumpften) quadra-
tischen Wandpfeiler charakterisiren. Vielleicht aber auch ist sie
eine auf natürlichem Wege bereits verarmte Form und datirt sie
wirklich aus derselben Kunstperiode, welcher die steinbekleideten
Erdmonumente und die in Quadern ausgeführten Lattenfacaden der
Memphisgräber angehören. Der echinuslose, einfach abgefaste
Schaft mit dem Abakus wäre dann in stilhistorischer Beziehung
jüngeren Urprungs als die gleiche Säule mit dem Echinuskapitäl und
träte durch diese Vermittlung mit der asiatischen tubulären Metall-
säule in einen, wenn auch entfernten, Grad der Stilverwandtschaft.
Wir sind beinahe genöthigt hier eine solche absichtslose Formen-
verarmung anzunehmen, in Betracht des Kontrastes in welchem
die Nacktheit dieser Stützen zu dem relativen Reichthum des
1 Sie sind keinesweges selten; siehe Falkeuer: on some Egyptian-Doric
«olumns in dem museum of classical antiquities Nr. 1, January 1851.
Protodorisches Kapital.
419
erhalten; dafür begegnen wir auf diesem Gebiete zwei andern
Säulenformen, wovon die eine den absoluten Gegensatz der pha-
raonischen Kelchsäule bildet, die zweite aber gleichsam die Knospe
und der Ansatz zu letzterer ist, eine entschiedene Uebergangs-
form. Bei der ersten, der sogenannten protodorischen Ord-
nung, tritt das struktive Element als alleinig formengebend auf.
Ein straff kannelirter, verjüngter, auch mitunter walzenförmiger
Schaft, in männlich schlanken Verhältnissen, trägt einen Abakus,
entweder unmittelbar, (Beni Hassan) 1 oder durch die Vermittlung
eines Wulstes, der durch mehrere Ringe oder Riemen mit dem
Schafte verbünden ist. Vielleicht suchte derselbe Priestergedanke,
welcher später die Kelch-
säule erdachte, vorher in
diesen nackt konstrukti-
ven Formen einen äqui-
valenten wenn auch an-
tiphonischen Ausdruck,
der Gedanke nämlich
durch scheinbar ur-
sprünglichste Motive der
Baukunst den Glauben
an die Autochthonie des
regime, welchem die Mo-
numente angehören, im Volke zu befestigen; man wollte die Säule
als den einfach abgefaseten (an den Ecken abgestumpften) quadra-
tischen Wandpfeiler charakterisiren. Vielleicht aber auch ist sie
eine auf natürlichem Wege bereits verarmte Form und datirt sie
wirklich aus derselben Kunstperiode, welcher die steinbekleideten
Erdmonumente und die in Quadern ausgeführten Lattenfacaden der
Memphisgräber angehören. Der echinuslose, einfach abgefaste
Schaft mit dem Abakus wäre dann in stilhistorischer Beziehung
jüngeren Urprungs als die gleiche Säule mit dem Echinuskapitäl und
träte durch diese Vermittlung mit der asiatischen tubulären Metall-
säule in einen, wenn auch entfernten, Grad der Stilverwandtschaft.
Wir sind beinahe genöthigt hier eine solche absichtslose Formen-
verarmung anzunehmen, in Betracht des Kontrastes in welchem
die Nacktheit dieser Stützen zu dem relativen Reichthum des
1 Sie sind keinesweges selten; siehe Falkeuer: on some Egyptian-Doric
«olumns in dem museum of classical antiquities Nr. 1, January 1851.
Protodorisches Kapital.