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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0100
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Drittes Hauptstück.

gegenüber, so nimmt das Gelb 3 Theile ein, das Violet dagegen
die übrigen 13 Theile zusammen. Dieses Violet besteht aber selbst
aus 8 Theilen Blau und 5 Theilen Roth. Combinirt man nach dem
Prinzipe der gleichmässigen Vertheilung das Roth im Gegensätze
zum Grün, so muss das Roth 5 Theile der Oberfläche einnehmen,
die übrigen 11 Theile gehören dem Grün als Grunde. Setzt man
Grün, Blau und Violet neben einander, so darf, da das Blau in
allen dreien vorkommt und ihm im Ganzen nur 8 Theile der
Oberfläche gebühren, das blaue Feld = 4, das grüne Feld = 2
—3 = 5, das violete Feld = 2 -f- 5 = 7 sein. 1
Nach ähnlichen Verhältnissen sind die meisten orientalischen
Muster in Beziehung auf Färb en vertheilung geordnet, wobei dann
jeder Farbe ihr Recht geschieht und das Resultat ein indifferentes
ist. Es versteht sich, dass, was eine dieser Farben an Kraft und
Intensität gewinnt und in dieser Beziehung vor den juxtaponirten
beiden anderen Farben voraus hat, für dieselbe in Beziehung auf
quantitatives Wirken abgezogen werden muss, so dass zuletzt das
Gleichgewicht erhalten bleibt.
Die beiden Farbenpole, das Schwarz und Weiss, kommen da-
bei auf zweierlei Weise in Betracht. Erstens als Grundtöne,
zweitens als Vermittlungstöne. Ist nur eines von beiden Far-
benextremen, das Weiss oder das Schwarz, Grundton, so sind auf
diesem die drei Hauptfarben nach dem Verhältnisse von 8,5,3
zu vertheilen, wobei nämlich nur der von den Farben wirklich
bedeckte Theil des (schwarzen oder weissen) Grundes als lötheilige
Einheit gerechnet wird. Stehen beide Grundtöne neben einander,
so geschieht diess auf zweierlei Weise, entweder so, dass das
Schwarz oder das Weiss vorherrscht und das Entgegengesetzte in
sehr starker Minorität ist, oder nach dem Gesetze der Gleichver-
theilung, wie bei den quarrirten Fussböden. Der erste dieser
beiden Fälle ist beinahe demjenigen gleich, wenn nur eines von
beiden Extremen Grundton bildet; die Farbenornamentation auf
dem vorherrschenden Grundtone ist mit der Ornamentation auf
dem untergeordneten Grundtone in Beziehung auf Helle und Dun-
1 Doch sind natürlich auch andere Verbindungen dieser drei Farben ge-
stattet, Setzt man z. B. den blaugrünen Grund = 8 (wobei 6 Theile auf Blau
und 2 Theile auf Gelb kommen mögen), so bleibt für die Muster ein Raum
von 8 Theilen. Soll dieses Muster nur eine gemischte Farbe haben, so be-
steht diese aus 5mal Roth, Imal Gelb und 2mal Blau.
 
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