Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0102
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

Drittes Hauptstück.

liehe Medium besitzt durch seinen Glanz die Eigenschaft beider
Extreme des Schwarzen und Weissen und passt daher für alle
Combinationen. Zugleich tritt es, wo dieses der Harmonie förder-
sam ist, als Farbe, nämlich als nuancirtes Gelb, in Wirksamkeit.
Das entgegengesetzte Prinzip der Ornamentation zu diesem ist
nun das der Subordination, welches darin besteht, dass die
Kontraste der Farben und der Töne nicht durch Abwägen ihrer
Wirkungen nivellirt werden, sondern sich einander bis zu einem
bestimmten Kulminationspunkte steigern, der in einem solchen
Grade das ganze System beherrscht, dass durch seine überwiegende
Autorität die Einheit der Gesammtwirkung erreicht wird.
, Dieses geschieht schon dadurch, dass eben das Zusammen-
wirken der subordinirten kontrastirenden Elemente die Autorität
des herrschenden Elementes hält und kräftigst unterstützt. Wo
ein Zusammenwirken von Kräften nach einem gemeinsamen Ziele
sich zeigt, dort tritt Einheit in der Mannigfaltigkeit zur Erscheinung.
Die Durchführung der Theorie der Polychromie, die aus diesem
Subordinationsprinzipe hervorgeht, sei bis zu einer Gelegenheit ver-
schoben, bei welcher sie unmittelbare und ungetheilte Anwendung
findet. Es wird sich dabei zeigen, dass ein solches System zu-
gleich dasjenige ist, welches den Elementen desselben die grösste
Freiheit der Entwicklung und die meiste Unabhängigkeit innerhalb
der ihnen angewiesenen Schranken gestattet. 1
Es gestaltet sich durch freies Zusammenwirken von Einheiten,
die gleichsam von einander emancipirt sind und die selbst wieder
nach dem Prinzipe der Subordination (oder der Hierarchie,
wenn dieser Ausdruck erlaubt ist) durch Elemente zweiter Ord-
nung, die ein gemeinsames Ziel verbindet, sich als einheitlich im
Mannichfaltigen kund geben. Es ist einleuchtend, nach dem un-
tergeordneten Verhalten, welches der Decke und jeglicher Umklei-
dung zukommt (worüber oben bereits das Nöthige gesagt worden
ist), dass auf ihnen sich ein System der Polychromie, wie das
zuletzt erwähnte, nicht vollständig entwickeln darf, sondern höch-
stens vorbereiten kann, weil sie eben nur die dienenden, vorbe-
1 Vergl. mit dem Angedeuteten: Observations on some specimens
of metal work by Prof. Semper in dem Catalogue of the Museum of orna-
mental art at Marlboroughhouse. London, 5th Edition. 1853. Dessgl. Field’s
Chromatic Equivalents, und Appendix D des oben erwähnten Katalogs,
der einen Aufsatz von Owen Jones über Farben enthält.
 
Annotationen