Textile Kunst. Stoffe. Wolle.
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Es erhellt aus der bekannten Hauptstelle des Plinius über die
Schafzucht und Wollenmanufaktur der Römerzeit (lib. VIII. cp.
48), dass die Alten die Eigenschaften der verschiedenen Woll-
sorten richtig beurtheilten und zweckgemäss verwandten. Man
hielt, wie es scheint mehr auf naturfarbige Wolle als diess jetzt
der Fall ist. Dem römischen Polyhistor ist die apulische Wolle
vorzüglicher als selbst die milesiche; Spanien sei berühmt durch
seine schwarze Wolle, die Alpenwolle sei durch ihre Weisse aus-
gezeichnet, die erythräische sei rothbraun, desgleichen diebätische;
die canusische sei gelb, die tarentinische schwärzlich, die istri-
sche und liburnische dem Haare ähnlicher als der Wolle und für
weichhaarige, geschorene Tuchzeuge nicht zu gebrauchen, sie werde
zu den künstlichen gewürfelten lusitanischen Stoffen (ähnlich
den schottischen, sogenannten Plaidzeugen) verarbeitet. Aehnlich
sei die narbonensische und die aegyptische Wolle, woraus so
dauerhafte Kleider gemacht würden, dass man sie färbe, wenn
sie abgetragen wären und sie dann noch ein Menschenalter hin-
durch brauchbar seien. Noch andere ziegenhaarartige Wolle
werde seit den ältesten Zeiten für Teppiche benützt und schon
von Homer erwähnt. Die Gallier hätten ihre eigene Methode des
Färbens dieser groben Teppiche, die Parther eine andere. Die
gefilzte Wolle leiste dem Schwerte und selbst dem Feuer Wider-
stand. Diese Industrie scheint bei den Galliern vorzüglich ge-
blüht zu haben, von denen auch die mit gallischen Namen be-
nannten zottigen Lagerdecken herrührten.
Man sieht, dass die Alten den Unterschied in der Behandlung
der Baumwolle und der kurzen und feinen Kratz - oder Tuch-
wolle wohl kannten, dass ihnen auch die beiden verchiedenen
Vorbereitungsprozesse, das Kämmen und das Kratzen der Wolle,
schon geläufig waren. Erstere diente wie bei uns für Posamen-
tirarbeiten und zum Sticken, letztere für die Fabrikation feiner
Tuche und dergl. Ueberhaupt erhellt aus dieser und anderen
Stellen und der Menge von technischen Ausdrücken für Zeuge,
die bei den alten Autoren Vorkommen, dass die Wollenindustrie
damals wenigstens eben so mannichfaltig in ihren Erzeugnissen
war wie bei uns, dass aber höchst wahrscheinlich diese Mannich-
faltigkeit der Fabrikation weit weniger als jetzt aus der reinen
Willkür der Fabrikanten hervorging, sondern sich auf ein voll-
ständiges Studium dei’ Sonderheiten der sich darbietenden Stoffe?
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Es erhellt aus der bekannten Hauptstelle des Plinius über die
Schafzucht und Wollenmanufaktur der Römerzeit (lib. VIII. cp.
48), dass die Alten die Eigenschaften der verschiedenen Woll-
sorten richtig beurtheilten und zweckgemäss verwandten. Man
hielt, wie es scheint mehr auf naturfarbige Wolle als diess jetzt
der Fall ist. Dem römischen Polyhistor ist die apulische Wolle
vorzüglicher als selbst die milesiche; Spanien sei berühmt durch
seine schwarze Wolle, die Alpenwolle sei durch ihre Weisse aus-
gezeichnet, die erythräische sei rothbraun, desgleichen diebätische;
die canusische sei gelb, die tarentinische schwärzlich, die istri-
sche und liburnische dem Haare ähnlicher als der Wolle und für
weichhaarige, geschorene Tuchzeuge nicht zu gebrauchen, sie werde
zu den künstlichen gewürfelten lusitanischen Stoffen (ähnlich
den schottischen, sogenannten Plaidzeugen) verarbeitet. Aehnlich
sei die narbonensische und die aegyptische Wolle, woraus so
dauerhafte Kleider gemacht würden, dass man sie färbe, wenn
sie abgetragen wären und sie dann noch ein Menschenalter hin-
durch brauchbar seien. Noch andere ziegenhaarartige Wolle
werde seit den ältesten Zeiten für Teppiche benützt und schon
von Homer erwähnt. Die Gallier hätten ihre eigene Methode des
Färbens dieser groben Teppiche, die Parther eine andere. Die
gefilzte Wolle leiste dem Schwerte und selbst dem Feuer Wider-
stand. Diese Industrie scheint bei den Galliern vorzüglich ge-
blüht zu haben, von denen auch die mit gallischen Namen be-
nannten zottigen Lagerdecken herrührten.
Man sieht, dass die Alten den Unterschied in der Behandlung
der Baumwolle und der kurzen und feinen Kratz - oder Tuch-
wolle wohl kannten, dass ihnen auch die beiden verchiedenen
Vorbereitungsprozesse, das Kämmen und das Kratzen der Wolle,
schon geläufig waren. Erstere diente wie bei uns für Posamen-
tirarbeiten und zum Sticken, letztere für die Fabrikation feiner
Tuche und dergl. Ueberhaupt erhellt aus dieser und anderen
Stellen und der Menge von technischen Ausdrücken für Zeuge,
die bei den alten Autoren Vorkommen, dass die Wollenindustrie
damals wenigstens eben so mannichfaltig in ihren Erzeugnissen
war wie bei uns, dass aber höchst wahrscheinlich diese Mannich-
faltigkeit der Fabrikation weit weniger als jetzt aus der reinen
Willkür der Fabrikanten hervorging, sondern sich auf ein voll-
ständiges Studium dei’ Sonderheiten der sich darbietenden Stoffe?