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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0225
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Textile Kunst. Stoffe. Seide,

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sind die amita, die dimita, trimita etc. und inbegrifflich als Ge-
gensatz zu den amita die kollektiven polymita, d. h. Stoffe, wo
zum Einschläge, pivog, mehrere Fäden genommen werden, um
daraus bunte Zeuge mit Figuren oder Blumen zu weben. Dieses
letztere Wort war im klassischen Alterthum gebräuchlich1 und
stand für gewebte bunte Stoffe im Gegensatz zu den gestick-
ten. Die bunten Fäden legen sich nämlich der Zeichnung ent-
sprechend und in Folge der mechanischen Vorbereitungen und
Proceduren beim Weben über und unter das Gewebe, je nach-
dem sie sichtbar hervortreten oder sich verstecken sollen. Nur
der Faden des Grundes bildet den regelmässigen Einschlag. Je
mehr Farben in dem Dessin vorkommen, desto mehr Fäden zählt
der Einschlag. — Diesem antiken Sinne des Wortes entspricht
aber nicht, wenigstens nicht immer, derjenige, den ihm das Mittel-
alter unterlegt. Dieses erhellt am deutlichsten aus des Falcan-
dus bereits mehrmals citirter Beschreibung der berühmten Seiden-
fabrik in Palermo, wo er die einzelnen Ateliers durchgeht und
mit der Bereitung der einfachsten Stoffe anfängt, „dort siehst du
wie die einfachen und billigen Stoffe, die Amita, die Dimita und
die Trimita gemacht werden.“ Dieses sind also wohl die leich-
ten, gleich dem Linnenzeug im Kreuzgewebe fabricirten Taffte,
dann die schweren Taffte (Gros de Naples), die Dimita und Tri-
mita , bei denen der Einschlag doppelt und dreifach die Stärke
des Zettels hat, ohne dass ein Brochiren der Einschlagfäden Statt
findet, denn diese feinere Arbeit wurde in einem anderen Atelier
ausgeführt. Ohne Zweifel wurden zuweilen verschiedenfarbige Fä-
den als Einschlag und Zettel genommen, und dann erhielt man
die Changeant - Stoffe oder regelmässig gemusterte und gestreifte
Tafftzeuge, je nach dem Systeme des Farbenwechsels das adoptirt
wurde. Diese alle gehörten zu den „einfachen und billigen
Stoffen.“
Nunmehr betritt Falcandus die Werkstatt der Sammt- und
Atlasweber : „Hier siehst du, wie in den ,Hexamita‘ eine grössere
Fülle des Seidenstoffes zusammengedrängt wird, hier glänzt dir
der Atlas entgegen.“ (Diarhodon igneo fulgore visum reverberat.
Offenbar ist hier der Salamanderpfellel der alten deutschen Dich-
ter gemeint.) Nun erst im dritten Atelier zeigt er uns die Web-
1 Aeschyl. Suppl. 446. tietiXol Plin. 8. 48. Plurimis vero liciis
texere quae polymita appellant Alexandria instituit.
 
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