Textile Kunst. Processe. Geflecht.
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angewandten ornamentalen Geflechts. Das Maximum der Stärke
z. B. ist ausgesprochen durch jenes reiche Riemengeflecht, wie
es an den Basen der attisch-ionischen Säulen und sonst vorkommt.
Das Weitere über die Aesthetik dieser interessanten Produkte
der textilen Kunst muss ich den gebildeten Posamentiern, Satt-
lern und vor allen den Haarkünstlern anheimgeben, welche letz-
tem in der That in technischer Vervollkommnung des Zopfs
das Mögliche erreichten und durch ihn den Geschmack ganzer
Jahrhunderte beherrschten.
Das Geflecht ist nicht allein geeignet in dem Sinne der Aus-
dehnung nach der Länge desselben vermöge seiner absoluten
Festigkeit zu wirken; es dient zugleich als Naht zu der Verbin-
dung zweier Gewandflächen und wird als solche in dem Sinne
der Ausdehnung nach der Quere thätig. 1
Als Naht bildet das Geflecht ein wunderbar reiches Motiv
zu ornamentaler Benützung in allen Kleinkünsten und selbst in
der Baukunst, wie bereits oben gezeigt wurde.
Aus der Naht ging das splendide und luxuriöse Spitzen-
werk hervor, jene durchbrochene Arbeit in Zwirn oder Seide
welche das Alterthum gar nicht oder höchstens in ihren Rudi-
menten kannte und benützte, die Glorie der modernen Toilette.
Das Spitzenwerk 2 (lace, point, dentelle, pizzi, merletti,) lässt
sich in zwei distinkte Klassen theilen : Nadelspitzen (guipure)
und K1 ö pp el s p i tz en. Erstere werden au§ freier Hand mit
der Nadel gemacht, letztere auf dem Kissen mit Hülfe der Klöppel.
1) Guipure ist das älteste Spitzenwerk. Man unterscheidet
viele Varietäten: Rosen-Points, portugiesische Points, maltesische
Points, Points von Alencon und brüsseler Points. Der Grund
dieser letzteren ist auf dem Kissen vorbereitet, die Nadel aus
1 Ueber die Verwandtschaft der Nabt mit dem Saume wurde bereits oben
gesprochen; in dieser Beziehung ist auch der Saum ein Grundmotiv der
Spitzenfabrikation.
2 Siehe die Notiz des Herrn Octavius Hudson, Professors der Abtheilung:
wowen fabrics in dem Department of Science and Art zu London , in dem
mfirst Report of the Dep. of.Science and Art“ vom Jahre 1854. Hierbei ver-
säume ich nicht, auf die schöne textile Sammlung des genannten Departements
zu Kensington bei London wiederholt aufmerksam zu machen, die auch eine
Reihe von Spitzenproben in systematischer Ordnung enthält.
Semper. ' 24
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angewandten ornamentalen Geflechts. Das Maximum der Stärke
z. B. ist ausgesprochen durch jenes reiche Riemengeflecht, wie
es an den Basen der attisch-ionischen Säulen und sonst vorkommt.
Das Weitere über die Aesthetik dieser interessanten Produkte
der textilen Kunst muss ich den gebildeten Posamentiern, Satt-
lern und vor allen den Haarkünstlern anheimgeben, welche letz-
tem in der That in technischer Vervollkommnung des Zopfs
das Mögliche erreichten und durch ihn den Geschmack ganzer
Jahrhunderte beherrschten.
Das Geflecht ist nicht allein geeignet in dem Sinne der Aus-
dehnung nach der Länge desselben vermöge seiner absoluten
Festigkeit zu wirken; es dient zugleich als Naht zu der Verbin-
dung zweier Gewandflächen und wird als solche in dem Sinne
der Ausdehnung nach der Quere thätig. 1
Als Naht bildet das Geflecht ein wunderbar reiches Motiv
zu ornamentaler Benützung in allen Kleinkünsten und selbst in
der Baukunst, wie bereits oben gezeigt wurde.
Aus der Naht ging das splendide und luxuriöse Spitzen-
werk hervor, jene durchbrochene Arbeit in Zwirn oder Seide
welche das Alterthum gar nicht oder höchstens in ihren Rudi-
menten kannte und benützte, die Glorie der modernen Toilette.
Das Spitzenwerk 2 (lace, point, dentelle, pizzi, merletti,) lässt
sich in zwei distinkte Klassen theilen : Nadelspitzen (guipure)
und K1 ö pp el s p i tz en. Erstere werden au§ freier Hand mit
der Nadel gemacht, letztere auf dem Kissen mit Hülfe der Klöppel.
1) Guipure ist das älteste Spitzenwerk. Man unterscheidet
viele Varietäten: Rosen-Points, portugiesische Points, maltesische
Points, Points von Alencon und brüsseler Points. Der Grund
dieser letzteren ist auf dem Kissen vorbereitet, die Nadel aus
1 Ueber die Verwandtschaft der Nabt mit dem Saume wurde bereits oben
gesprochen; in dieser Beziehung ist auch der Saum ein Grundmotiv der
Spitzenfabrikation.
2 Siehe die Notiz des Herrn Octavius Hudson, Professors der Abtheilung:
wowen fabrics in dem Department of Science and Art zu London , in dem
mfirst Report of the Dep. of.Science and Art“ vom Jahre 1854. Hierbei ver-
säume ich nicht, auf die schöne textile Sammlung des genannten Departements
zu Kensington bei London wiederholt aufmerksam zu machen, die auch eine
Reihe von Spitzenproben in systematischer Ordnung enthält.
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