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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0238
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188

Viertes Hauptstück.

zeigen und auf einem Grunde, der aus Geflecht besteht (s. Fig. 9).
Das Muster ist auf diesem Grunde oder Netze mit dem Weber-
stiche (clothing stitch) ausgeführt.
Die mecheler Spitze zeichnet sich durch die Umrisse aus,
womit die Muster umzogen sind; diese sind im Weberstiche aus-
geführt und der Grund ist geflochten.
Die brüsseler Klöppel-Spitzen zeichnen sich aus durch relief-
artige Behandlung der Muster.
Ein besonderes charakteristisches Fabrikat sind die irischen
Spitzen, welche aus einem unregelmässigen Netzwerk mit unter-
mischten Knotenpunkten bestehen und das Netzwerk der Pflan-
zenfasern nachahmen, wie dieses sich zeigt, wenn man eine dünne
Scheibe eines getrockneten Holzstamms durch die Lupe oder
das Mikroskop betrachtet,
Auf ähnlichem Grunde werden auch reiche Muster ausge-
führt. Diess chärakterisirt die Honiton-Spitzen. Sie sind von
ausnehmender Wirkung. Man ahmt die irischen Spitzen auch
mit der Häkelnadel nach.
Seidene Points und geklöppelte Spitzen werden Blonden
genannt. Die besten sind die französischen. Ihnen zunächst
stehen meines Wissens die erzgebirgischen.
Doch genug von diesen zarten und kunstvollen Produkten
der Hyphantik. Das Grundgesetz des Stiles für dieselben, soweit
letzterer durch die Funktion und den idealen Dienst, den sie
leisten, bedungen ist, erscheint als das einfachste von der Welt
und ist dadurch vollständig definirt, dass sie ornamental be-
handelte Säume und Nähte sein sollen. Ihr Stil richtet
sich daher zunächst nach den Stoffen, die sie umsäumen oder
garniren sollen. Sodann nach der Person, die sie trägt, der Ver-
anlassung, wobei sie zum Putze gewählt werden etc. etc. Desto
schwieriger und verwickelter ist für sie jede Stiltheorie, so weit
diese die Processe berücksichtigen will, die alle zu ihrer Verferti-
gung bereits erfunden sind und noch erfunden werden könnten.
Das Geflecht trat schon in den zuletzt genannten Produkten
als flächenbereitend auf; diesen Zweck erfüllt es noch ent-
schiedener in der eigentlichen Matte. (Der geflochtenen Decke.)
Die geflochtenen Decken haben vor den gewobenen den
ausschliesslichen Vorzug, dass die Fadenelemente, woraus sie be-
stehen, sich nicht nothwendig alle senkrecht durchkreuzen müssen,
 
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