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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0294
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Viertes Hauptstück.

Das Bekleidungsprinzip macht sich ausserdem an diesen struk-
tiven Theilen des Baus noch auf andere Weise, nämlich durch
deckende Ueberzüge des hölzernen Kernes, geltend.
Die inneren Abtheilungen der häuslichen Einrichtung sind be-
weglich, meistens wirkliche an der Wand herabhängende Tep-
piche, oder durchaus Gitterwerk oder hölzerne mit Scharnieren
aneinander befestigte Tafeln die beliebig aufgestellt werden kön-
nen, oder endlich feste Scherwände die aber den Charakter dieser
Teppiche und spanischen Wände kundgeben.
Die gemalten und skulptirten Ornamente sind durchgängig
aus denselben structiven Elementen hervorgegangen, die sich so
klar an dem baulichen Ganzen scheiden. Nachahmung von
Stoffen, lackirte Täfelung, Bambusgeflecht, knorri-
ges zu phantastischen Gebilden umgeformtes Pfahl-
und Astwerk.
Diess der allgemeine Charakter der chinesischen Baukunst,
soweit er aus der Konstruktion und technischen Ausführung her-
o
vortritt. Doch sind die Wahrnehmungen die er bietet für un-
gern Zweck von so grosser Wichtigkeit, dass es nöfhig scheint
wenigstens über einzelne Züge desselben in näheres Detail ein-
zugehen.
Wir wollen desshalb trennen und zuerst den Raumabschluss,
dann das tektonische Gerüst das ihn hält, zuletzt, als das un-
serm gegenwärtigen Thema fernste, die Substruction des Baus
betrachten. Hierbei bemerke ich dass die folgenden Details
grösstentheils einem schönen handschriftlichen Werke in der
Sammlung von Handzeichnungen und Kupferstichen der kaiser-
lichen Bibliothek zu Paris entnommen sind. Dasselbe ist von
einigen gelehrten Jesuiten und Missionären in China unter der
Herrschaft Ludwigs des Vierzehnten zusammengetragen und führt
den Titel: Essay sur l’architecture des Chinois. Die französi-
schen Jesuiten des 18. Jahrhunderts hatten freien Zutritt und
genossen grosse Vorrechte in China und ihnen verdanken wir
sehr schätzbare und genaue Berichte über dieses Land, welches
damals viel besser in Europa gekannt war als es jetzt ist. Äusser
dem genannten Werke enthält die Bibliothek zu Paris noch an-
dere prachtvolle Sammlungen von architektonischen Handzeich-
nungen, zum grössten Theile in den lebhaftesten Farben und mit
Vergoldungen schön ausgeführt, sowohl altchinesische als solche,
 
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