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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0345
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Textile Kunst. Exkurs. Tapezierwesen der Alten.

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Oft waren sie in Form von Kastellen gestaltet, Modelle der er-
oberten Städte. 1
Der Einfluss den diese schwerfälligen Wagengerüste mit ihrer
beschreibenden Dekoration auf die römische Monumentalarchi-
tektur ausübten tritt am nächsten hervor an den Triumphal-
säulen, von denen sich noch die des Trajan und die des Antoni-
nus Pius erhalten haben.2 Sie sind in der That etwas Aehnliches
wie jene Schaugerüste, gleichsam stehende und in Marmor aus-
geführte thensae, gerade so wie die rogi das Motiv zu einer gan-
zen Klasse von Grabmonumenten gegeben haben, von denen
schon früher die Rede war. Der Figurenfries, der an dem
Schafte jener Säulen sich hinaufwindet, ist dann auch weiter nichts
als monumentale Durchbildung des Motives das in den gemalten
Leinwandumwürfen jener pegmata vorlag und konnte sich daher
auch in Streifen um die cylindrische Oberfläche der Säule herum-
wickeln lassen. Der Römer sah darin keine Stilverletzung, schon
weil er dabei an jene schmiegsamen Originale, die Leinwand-
malereien als Bekleidungen der Schaugerüste, erinnert wurde, und
unsere Kunstpuritaner, denen die Kochlearsäulen sehr verhasst sind,
ermangeln des richtigen Standpunktes zu ihrer Beurtheilung. Ich
werde darauf bei anderer Gelegenheit zurückkommen und Spuren
von Farben an den Skulpturen der Trajanssäule nachweisen, die
Zeugniss dafür ablegen dass sie wirkliche Malereien waren.
Diesen Triumphkarren mussten nun auf dem Wege den sie
durchzogen und vorzüglich längs des Circus und des Forum ganz
ähnliche Dekorationen entsprechen, die den Monumenten vorge-
stellt und angeheftet wurden. Wir wissen aus den freilich unge-
nügenden Andeutungen bei den Autoren, von denen einige bereits
oben angeführt wurden, dass Aehnliches wie auf jenen herum-
gefahrenen Schildereien auch auf ihnen zur Schau gestellt wurde;
1 Appian. Punic. VIII. 66. TtvqyoLTS TtaqixcpeQOVTai, iitiirjUciTCi rav
nöXsatv, neu yqacpcu, neu d'/^uara rcöv yeycovoratv (sic!). Man trag
Thiirme, Nachbildungen der eroberten Städte, Bilder und Scheinen der durch
den Ausruf mitgetheilten Kriegsthaten zur Schau herum.
2 Bei Gelegenheit des 80. Geburtstags Königs Anton von Sachsen führte
ich auf dem Markte Dresdens eine hölzerne Kochlearsäule aus, die der Bild-
hauer Rietschel mit einer herrlichen geflügelten Figur krönte. Das Volk wollte
sie später in Stein ausführen und hatte schon 40,000 Thaler dazu durch Beiträge
zusammen gebracht. Aber die Idee scheiterte an der Opposition einiger Kunstphi-
lister und Fanatiker der Nützlichkeit und das Geld fiel der Armenkasse anheim.
 
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