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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0364
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Viertes Hauptstiick.

über provisorische aus Holz konstruirte Portikus und Festhallen,
doch ohne Details angab e, so dass wir leider wenig über sie wissen.
Was die grossartigen provisorischen Theateranlagen der Römer
betrifft, über die wir etwas besser berichtet sind, so übergehen wir
sie hier, weil dasjenige, was sie in Bezug auf das uns hier beschäf-
tigende Thema bieten, füglicher an späterer Stelle zu erwähnen ist.
Indessen sei der anmuthigen Mittheilung des Sokrates von
Rhodus im Athenäus hier noch gedacht, wie Antonius bei seinem
Aufenthalte in Athen das Theater des Bacchus festlich schmückte,
weil dieses Bild über gewisse Motive der Dekorationsmalerei, die
uns an antiken Wänden häufig begegnen, interessanten Aufschluss
gibt. Er führte über dem Theater ein von allen Seiten weit-
her sichtbares temporäres Bauwerk (o/etf/ar) aus, bedeckte es
mit grünem Laube, wie es bei bacchischen Grotten (oder
Lauben) geschieht, und hing an dieser Laubdecke Tambourins,
Rehfelle und alle möglichen anderen Attribute des Dionysos auf.
Darunter zechte er mit seinen Freunden vom frühen Morgen an,
wobei die Possenreisser und Mimen die er aus Italien herbei-
gezogen hatte aufwarteten und das niedere Bacchusgefolge bil-
deten, das ganze athenische Volk aber als Zuschauer Theil nahm.
Ich glaube, dass nur die eigentliche Scene auf solche Weise von
dem römischen Bacchus zur Laubhütte umgewandelt war.
Schon mehrfach wurde in dem Vorhergehenden auf die in
kunsthistorischer Beziehung so interessanten dekorirten Scheiter-
haufen hingewiesen. Ich muss noch einmal auf dieselben zurück-
kommen : Dieser Gebrauch durch die architektonische Ausstattung
des Holzstosses dem auf ihm zu verbrennenden Todten die
letzte Ehre zu erweisen scheint, sowie so manches Motiv der an-
tiken Sitte und Kunst, wieder asiatischen Ursprungs zu sein. In
.wie grossartigem Massstabe die Assyrier diesen Gebrauch pfleg-
ten ersieht man unter vielen Beispielen am besten aus der Nach-
richt von dem Untergange des letzten ihrer Könige, der sich
nach Ktesias einen Scheiterhaufen von 400 Fuss Höhe aufrichten
liess, auf welchen er 100 goldene Lagerbetten und eben so viele
Tische stellte. In einer Etage des Rogus war ein Zimmer aus
Holz, welches 100 Fuss nach beiden Richtungen mass, worin eben-
falls Lagerstätten eingerichtet waren, für ihn und seine Gemahlin
sowie für alle seine Kebsweiber. Die Decke des Zimmers bestand
aus starken und langen Balken und rings um dasselbe wurden
 
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