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Viertes Hauptstück.
architektonischen Idee dasselbe System der Umschliessung, des
Anlehnens und der Uebergipfelung, aber nicht nach concentrischer
sondern nach tangentialer Ordnung, d. h. so dass die überragende
Masse wie ein Festungsthurm sich aus einer der Seitenmauern er-
hebt und der Schwerpunkt des Ganzen nicht in die Mitte fällt.
Unter diesen nicht symmetrisch sondern unregelmässig grup-
pirten Terrassensystemen ist eines welches wiederum den Stütz-
punkt für alle anderen bildet, sie beherrscht und sie zu einer
grossartigen einheitlichen Gesammtwirkung verbindet. Das Prin-
zip der Ordnung ist nicht die Symmetrie, die selbst in Einzeln-
heiten vielleicht absichtlich verletzt wurde,1 sondern die Massen-
subordination und das Verhältniss. (S. im zweiten Theil Assyrien.)
Von dieser reichen und verwickelten architektonischen Rang-
ordnung haben sich nur einige der untersten Glieder erhalten,
die sämmtlich aus Mauermassen bestehen die aus luftgetrockneten
Ziegeln aufgebaut wurden, welche aber nur den materiellen Kern
einer sie bekleidenden äusserlichen Decke bilden die ihnen Wetter-
beständigkeit, Festigkeit gegen äussere Gewalten und Schmuck
verschafft, die als die eigentliche Repräsentantin der Rauraesidee
erscheint, während die dahinter versteckte Mauermasse nur materiell
fungirt, mit der räumlichen Idee nichts gemein hat.
In der Anwendung der zu den Bekleidungen gewählten Stoffe
musste man sich nach den Umständen richten; es wurden natür-
lich dazu die dauerhaftesten und festesten für diejenigen Theile
des Baues gewählt, die der Feuchtigkeit, den Atmosphärilien,
dem Feuer und besonders der gewaltsamen Zerstörung bei Be-
lagerungen am meisten ausgesetzt waren.
Hier kommen nun zuerst die untersten und äussersten Wall-
mauern in Betracht, zu denen auch die Substruktionen der gross-
artigen Bollwerke zu rechnen sind auf deren erhöhter Plattform
sich erst jene gold- und elfenbeingeschmückten Königshäuser und
die hochragenden Grabtempel mit farbig schimmernden Zinnen
erhoben. 2 Sowohl bei Nimrud wie bei Chorsabad wurden die
1 Es ist bekannt, dass bei den Hindu, deren älteste Bauanlage mit der
assyrischen manches gemein hatte, eine Bauobservanz herrschte, welche die
Symmetrie in vielen Fällen z. B. in der Anlage der Eingänge vermied.
2 Qua sunt flabra Noti Babylon subducitur arce
Procera in nubes : hanc prisca Semiramis urbem
Vallavit muris, quos non absumere flammae
Viertes Hauptstück.
architektonischen Idee dasselbe System der Umschliessung, des
Anlehnens und der Uebergipfelung, aber nicht nach concentrischer
sondern nach tangentialer Ordnung, d. h. so dass die überragende
Masse wie ein Festungsthurm sich aus einer der Seitenmauern er-
hebt und der Schwerpunkt des Ganzen nicht in die Mitte fällt.
Unter diesen nicht symmetrisch sondern unregelmässig grup-
pirten Terrassensystemen ist eines welches wiederum den Stütz-
punkt für alle anderen bildet, sie beherrscht und sie zu einer
grossartigen einheitlichen Gesammtwirkung verbindet. Das Prin-
zip der Ordnung ist nicht die Symmetrie, die selbst in Einzeln-
heiten vielleicht absichtlich verletzt wurde,1 sondern die Massen-
subordination und das Verhältniss. (S. im zweiten Theil Assyrien.)
Von dieser reichen und verwickelten architektonischen Rang-
ordnung haben sich nur einige der untersten Glieder erhalten,
die sämmtlich aus Mauermassen bestehen die aus luftgetrockneten
Ziegeln aufgebaut wurden, welche aber nur den materiellen Kern
einer sie bekleidenden äusserlichen Decke bilden die ihnen Wetter-
beständigkeit, Festigkeit gegen äussere Gewalten und Schmuck
verschafft, die als die eigentliche Repräsentantin der Rauraesidee
erscheint, während die dahinter versteckte Mauermasse nur materiell
fungirt, mit der räumlichen Idee nichts gemein hat.
In der Anwendung der zu den Bekleidungen gewählten Stoffe
musste man sich nach den Umständen richten; es wurden natür-
lich dazu die dauerhaftesten und festesten für diejenigen Theile
des Baues gewählt, die der Feuchtigkeit, den Atmosphärilien,
dem Feuer und besonders der gewaltsamen Zerstörung bei Be-
lagerungen am meisten ausgesetzt waren.
Hier kommen nun zuerst die untersten und äussersten Wall-
mauern in Betracht, zu denen auch die Substruktionen der gross-
artigen Bollwerke zu rechnen sind auf deren erhöhter Plattform
sich erst jene gold- und elfenbeingeschmückten Königshäuser und
die hochragenden Grabtempel mit farbig schimmernden Zinnen
erhoben. 2 Sowohl bei Nimrud wie bei Chorsabad wurden die
1 Es ist bekannt, dass bei den Hindu, deren älteste Bauanlage mit der
assyrischen manches gemein hatte, eine Bauobservanz herrschte, welche die
Symmetrie in vielen Fällen z. B. in der Anlage der Eingänge vermied.
2 Qua sunt flabra Noti Babylon subducitur arce
Procera in nubes : hanc prisca Semiramis urbem
Vallavit muris, quos non absumere flammae