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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0432
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382 Viertes Hauptstück.
santen Verbindungen vereinigt an den assyrischen Geräthen vor-
kommen.
Ein Möbel ist ein Pegma das in sich Consistenz hat und zu
seinem statischen Zusammenhalten des Stützpunktes der Erde
nicht bedarf. Hierin unterscheidet es sich von dem Monumente
oder der architektonischen Konstruktion, die unverrückbar
ist, weil die Basis oder der Boden, worauf sie steht, gleichsam
mit zu ihrem Systeme gehört. Das Möbel dagegen ist verrück-
bar. Diess begründet den wichtigsten Stilunterschied zwischen
beiden, soweit der Stil von dem Zwecklichen abhängig ist. Das
Möbel soll seine Unabhängigkeit von dem Orte wo es gerade
steht in seiner Form zu erkennen geben, muss daher zwar eine
hinreichend ausgedehnte statische aber eine möglichst kleine ma-
terielle Grundfläche haben, oder mit anderen Worten die Berüh-
rungsstellen mit der Erde müssen möglichst klein sein, aber
den Schwerpunkt des fungirenden Systemes am günstigsten unter-
stützen. In dieser Beziehung sind die assyrischen Möbel treff-
lich stilisirt, denn sie stehen auf breitester statischer Basis und
ihre Füsse laufen alle in Spitzen ‘aus, wodurch sie mit dem Bo-
den in möglichst geringen Contakt geräthen. Der in dem Möbel
liegende Gedanke des Bewegbaren drückt sich an jenen assyri-
schen Geräthen noch auf andere Weise symbolisch aus,- die je-
doch mit tendenziöser Symbolik zusammenhängt, so dass ich sie
lieber erst in Verbindung mit dieser letzteren erwähne. Dasselbe
gilt von anderen sehr interessanten auf die struktive und funktio-
nelle Bestimmung der Theile hindeutenden Symbolen, die an den
genannten Gegenständen in merkwürdiger Naivetät hervortreten.
Es sei daher jetzt von den tendenziös-symbolischen Bestandtheilen
der assyrischen Gerätheformen die Rede.
Alles was dieser Art an ihnen sich zeigt kommt auch auf den
Wanddekorationen vor und gehört offenbar zu der Ikonographie
des assyrisch-chaldäischen Religionssystemes, auf welches hier ein-
zugehen mir im geringsten nicht zukommt, auch überflüssig wäre.
Es sind theils Symbole im eigentlichen Sinne des Worts, theils
figürliche Darstellungen von Göttern, Schutzgenien, Herrschern
und ihm dienenden Sklaven, die auf verschiedene Weise mit den
Kompositionen verflochten sind und mehr oder weniger in der
Struktur der Gegenstände aufgehen. Vorzüglich ist letzteres von
den eigentlichen Symbolen zu sagen, unter denen die folgenden
 
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