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Semper, Hans; Vasari, Giorgio; Cerri, Cajetan [Transl.]
Donatello, seine Zeit und Schule: eine Reihenfolge von Abhandlungen : Quellenangaben, Register der unbestimmten Werke Donatello's, Regesten, Documente, Personen- und Sachregister — Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 9: Wien: Wilhelm Braumüller, K.K. Hof- und Universitätsbuchhändler, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.66046#0073
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KÜNSTLER DES ZWEITEN DOMPORTALS etc.

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spätgothischer Realist war, bezeugt vorzüglich das unorga-
nisch aufgeklebte Blattwerk, womit zum Theil seine Thür-
einfassung geschmückt ist, eine Art der Ausschmückung, die
ebenso der Spätgothik eigen war, als die realistische Natur-
nachahmung in diesen einzelnen Blättern (Feigen und Epheu).
Dass er gerade Feigenblätter wählte, gibt ebenso Zeugniss ein-
mal von seiner Neigung zum unmittelbaren traditionsfreien Im-
provisiren und Schaffen an der Hand der Natur, wie von dem
Einfluss, den die Natur und somit wahrscheinlich auch die
Kunst Italiens bereits auf ihn ausgeübt hatten. Letzterer Um-
stand erklärt seine gleichzeitige Annäherung an antike Motive
neben seinem deutsch-gothischen Realismus.
Aber seine antikisirenden Akanthusranken sind noch sehr
strunkartig und starr und hierin weisen ihm gegenüber Niccolö
d’ Arezzo und seine Gehilfen einen ungeheuren technischen und
formellen Fortschritt auf.
Niccolö d’ Arezzo mag sich, von des Deutschen Beispiel
angeregt, die antiken Ranken-Ornamente genau angesehen
haben, als er 1400 in Rom war. So kam es, dass er sich, den-
selben einen entschieden römischen Anstrich gebend, zugleich
der Renaissance um einen grossen Schritt näherte.
Seine Ornamente haben noch nicht das Feine, Zierliche,
oft sogar Schwächliche und Goldschmiedartige der ausgebildeten
Renaissance-Ornamentik, sondern es ist darin eine eigenthüm-
liche Belebung und Durchdringung des italisch-gothischen, unge-
lenken und schweren Blattwerkes mit der kraftvollen Eleganz
des altrömischen zu erkennen. Das monotone, schwere Blatt-
werk mit den derben Stielen, breiten Blattflächen und spar-
samen Ausschneidungen, wie es noch an den Ornamenten des
Simone di Francesco Talenti in den Fensterfüllungen von Or
San Michele, oder an den Pfeilercapitälen des Francesco Talenti
im Dom und in der Loggia dei Signori zu sehen ist, hat unter
Niccolö’s Hand unversehens eine Metamorphose durchgemacht,
welche noch den Ausgangspunkt, zugleich aber auch schon
römische antike Vorbilder darin erkennen lässt.
An die alte Zeit erinnert das vielfache Umkippen der
Blattspitzen, das Vorherrschen und häufige Zusammendrängen
breiter Blattflächen, sowie ein Rest von Trockenheit und Derb-
 
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