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Semper, Hans; Vasari, Giorgio; Cerri, Cajetan [Übers.]
Donatello, seine Zeit und Schule: eine Reihenfolge von Abhandlungen : Quellenangaben, Register der unbestimmten Werke Donatello's, Regesten, Documente, Personen- und Sachregister — Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 9: Wien: Wilhelm Braumüller, K.K. Hof- und Universitätsbuchhändler, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.66046#0147

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DONATELLO ALS REALIST UND MALER.

133

ist eines der vorzüglichsten Porträts, die Donatello je geschaffen.
Er zeigt eine unbeschreiblich geistreiche Auffassung und Aus-
führung. In diesen Zügen ist der salbungsvolle und schwatz-
hafte, pedantische und leichtsinnige, witzige und boshafte
Charakter Poggio’s mit deutlicher Schrift geschildert. Das Ge-
wand ist mit grossem Realismus und meisterhafter Technik
ausgeführt; doch ist der Faltenwurf etwas trocken und überladen,
und nicht mehr so genial und kühn wie an dem Zuccone und
anderen Statuen des Donatello.109
XVI.
DONATELLO ALS REALIST UND MALER.
Schon in den frühesten Statuen des Donatello sehen wir
zwar seine entschiedene Frontstellung gegen den conventionellen
Idealismus des 14. Jahrhunderts, der hauptsächlich durch An-
drea Pisano und die von ihm beherrschte Goldschmiedschule
einzureissen begann; sowie ein in solcher Fülle, Tiefe, Wahr-
heit und Genialität seit dem Alterthum nicht mehr dagewesenes
Erfassen der Natur in ihren Gesetzen, ihrem Erscheinungs-
reichthum, in ihrer Poesie und Schönheit. Aber wenn den
früheren Werken doch ein gewisses Pathos für eine, ausserhalb
ihrer Person liegende Idee innewohnt, wie z. B. im S. Marco,
oder aber ein jugendlicher Schwung, der eben die noch allge-
meineren, weniger individuellen Empfindungen der Jugend
wiedergibt, wie im S. Georg oder in der Verkündigung, so be-
tritt Donatello mit seinem Zuccone die Bahn des eigentlichen
Porträtisten, der nichts Anderes will, als eine Seele dar-
stellen, wie sie sich mit allen ihren Eigenschaften, Kräften,
Neigungen, Leidenschaften und Gedanken in einem Antlitz
wüederspiegelt, unbeeinflusst durch irgend ein äusser ihr liegen-
des Object, auf das ihr Handeln gerichtet wäre, sondern blos
als Potenz, sowie als bereits fertiges Resultat früherer Ein-
drücke, Erfahrungen und Gedanken. Die Kraft der Charakte-
risirung eines Porträtisten bethatigt sich zwar auch in der Dar-
stellung einer schönen Seele, d. h. eines jugendlichen oder
weiblichen Kopfes, doch lassen die weichen oder einfach leiden-
schaftlichen Empfindungen, die in solchen Aufgaben vorzüglich
darzustellen sind, eher eine individuelle, subjective, phanta-
 
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