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Viertes Hauptstück.
„Oberfläche hervor; daher darf keine Dekorationsweise angewandt wer-
ken, die diese Eigenschaft des Zeuges zerstört, ganz abgesehen davon,
„dass es ganz gegen die Zweckmässigkeit ist, wenn man ein Gewand so
„mit Verzierung überlädt und mit Stickerei steift, dass die bequeme Be-
legung und Thätigkeit des damit Bekleideten dadurch verhindert wird.
„Der volle Lustre der Seide ist ganz besonders abhängig von dem Falten-
„wurf und jedes Seidenfabrikat muss darauf berechnet sein. Wenn Gold-
„und Silberfäden eingewebt werden, so muss ein grosser Grad von Steif-
heit des Stoffes davon die Folge sein und daher muss der Zeichner des
„Musters so viel Geschmack und Uebung haben, als dazu gehört, um zu
„wissen, wie er mit dem mindest möglichen Aufwande von Gold oder
„Silber den grössten Effekt hervorbringe. Diese verständige Oekonomie
„zeigt sich besonders an den indischen Geweben, während der entgegen-
gesetzte Fehler an manchen kostbaren Priestergewändern offenbar ward,
„die so mit Gold gesteift und mit erhabenen Stickereien bedeckt waren,
„dass der Träger in ihnen stecken musste wie in einer Panoplie. Sie
„waren insgesammt nicht nur durch Uebertreibung vulgarisirt, sondern
„auch vollkommen ungeschickt für den Gebrauch und für die beste Ent-
haltung eben der ornamentalen Pracht, die man an ihnen so sehr ver-
schwendet hat.“
Au einer andern Stelle sagt Redgrave:
„Die natürliche Behandlung der Blumen als Verzierung textiler
„Stoffe zeigt sich nirgend (auf der Ausstellung) so sehr in ihrer ganzen
„Geschmacklosigkeit wie an den reichen Altardecken in Goldbrokat, die
„von den Franzosen, Oesterreichern und Russen ausgestellt waren. Die
„kolorirten und schattirten Blumen geben diesen Geweben bei allem ihrem
„Reichthum einen Anstrich von Alltäglichkeit und Gemeinheit; während
„kolorirte regelmässig vertheilte Muster, Abwechslung der Textur und
„dadurch hervorgebrachte Mannigfaltigkeit der Oberfläche oder Silber-
„fäden verwebt mit Goldfäden (wie bei einigen asiatisch-russischen Fabri-
katen gesehen wurde) eine reiche und wahre Wirkung machen.“
Indem wir diesem Urtheile für die besprochenen Stoffe vollkommen
beipflichten, können wir dennoch nicht umhin zu denken, dass Redgrave
in seinem Eifer für die konventionelle, durchaus flache, Behandlung der
Pflanzenornamente auf Stoffen und für das geometrische „diaper“ viel-
leicht etwas zu rigoristisch sich ausspreche und dass der fortgeschrittene
Webstuhl, wenn er nur das Prinzip der Flachheit und alle sonstigen
Stilbedingungen, die das Stoffliche angehen, beobachte, sich wohl von
den inkunablen Formen des Webstuhls in der Kindheit emancipiren könne.
Viertes Hauptstück.
„Oberfläche hervor; daher darf keine Dekorationsweise angewandt wer-
ken, die diese Eigenschaft des Zeuges zerstört, ganz abgesehen davon,
„dass es ganz gegen die Zweckmässigkeit ist, wenn man ein Gewand so
„mit Verzierung überlädt und mit Stickerei steift, dass die bequeme Be-
legung und Thätigkeit des damit Bekleideten dadurch verhindert wird.
„Der volle Lustre der Seide ist ganz besonders abhängig von dem Falten-
„wurf und jedes Seidenfabrikat muss darauf berechnet sein. Wenn Gold-
„und Silberfäden eingewebt werden, so muss ein grosser Grad von Steif-
heit des Stoffes davon die Folge sein und daher muss der Zeichner des
„Musters so viel Geschmack und Uebung haben, als dazu gehört, um zu
„wissen, wie er mit dem mindest möglichen Aufwande von Gold oder
„Silber den grössten Effekt hervorbringe. Diese verständige Oekonomie
„zeigt sich besonders an den indischen Geweben, während der entgegen-
gesetzte Fehler an manchen kostbaren Priestergewändern offenbar ward,
„die so mit Gold gesteift und mit erhabenen Stickereien bedeckt waren,
„dass der Träger in ihnen stecken musste wie in einer Panoplie. Sie
„waren insgesammt nicht nur durch Uebertreibung vulgarisirt, sondern
„auch vollkommen ungeschickt für den Gebrauch und für die beste Ent-
haltung eben der ornamentalen Pracht, die man an ihnen so sehr ver-
schwendet hat.“
Au einer andern Stelle sagt Redgrave:
„Die natürliche Behandlung der Blumen als Verzierung textiler
„Stoffe zeigt sich nirgend (auf der Ausstellung) so sehr in ihrer ganzen
„Geschmacklosigkeit wie an den reichen Altardecken in Goldbrokat, die
„von den Franzosen, Oesterreichern und Russen ausgestellt waren. Die
„kolorirten und schattirten Blumen geben diesen Geweben bei allem ihrem
„Reichthum einen Anstrich von Alltäglichkeit und Gemeinheit; während
„kolorirte regelmässig vertheilte Muster, Abwechslung der Textur und
„dadurch hervorgebrachte Mannigfaltigkeit der Oberfläche oder Silber-
„fäden verwebt mit Goldfäden (wie bei einigen asiatisch-russischen Fabri-
katen gesehen wurde) eine reiche und wahre Wirkung machen.“
Indem wir diesem Urtheile für die besprochenen Stoffe vollkommen
beipflichten, können wir dennoch nicht umhin zu denken, dass Redgrave
in seinem Eifer für die konventionelle, durchaus flache, Behandlung der
Pflanzenornamente auf Stoffen und für das geometrische „diaper“ viel-
leicht etwas zu rigoristisch sich ausspreche und dass der fortgeschrittene
Webstuhl, wenn er nur das Prinzip der Flachheit und alle sonstigen
Stilbedingungen, die das Stoffliche angehen, beobachte, sich wohl von
den inkunablen Formen des Webstuhls in der Kindheit emancipiren könne.