568
Anhang.
kehrend, entzückte er Schinkel sowohl durch den Reichthum seiner heim-
gebrachten Studien als durch den noch grösseren seines Geistes, so dass
er in ihm alsbald seinen dereinstigen Nachfolger sah und statt seiner ihn
1834 nach Dresden empfahl.
Hatte Semper bisher erst in Hamburg bei einem kleinen Bau seine
praktische Tüchtigkeit beweisen können, so fiel ihm nun alsbald eine
Reihe bedeutender Aufgaben zu, die Synagoge, eine grosse Kaserne in
Bautzen und Vorarbeiten für das Theater in Dresden. Sein Wirken dort war
so überaus segensvoll, dass man wohl sagen kann: es datire ein neuer Auf-
schwung von ihm, der sofort auch Rietschel und später Hähnel zu grossen
Aufgaben verhalf. Denn Semper hatte schon damals jenes Verständniss
für den genauen Zusammenhang der bildenden Künste unter sich, das
er uns Jüngeren erst später vermittelt hat. Bewies er das schon an der
Synagoge, einem kleinen Meisterwerk, wo seine Tendenz, die architek-
tonischen Formen vor allem als ein Mittel der Charakteristik zu benützen,
zuerst glänzend hervortrat, so geschah es bald noch in ungleich grösserem
Massstabe bei seinem berühmten Theater. Für die deutsche Baukunst
hat er hier geradezu epochemachend gewirkt durch das entschlossene
Zurückgreifen auf die Formen der italienischen Renaissance sowohl, als
besonders durch die harmonische Vollendung, die er diesem Bau in jedem
einzelnen Theile zu geben wusste — und das sowohl durch die ausser-
ordentlich geschickte Verwendung der Schwesterkünste, der Skulptur und
Malerei, als speziell auch der bis dahin in Deutschland so ganz vernach-
lässigten Dekoration, wo das Innere durch die eben so glänzende als
neue üeberwindung der Schwierigkeit einer architektonischen Motivirung
des Logenbaues überaus angenehm wirkte. Selten war es gelungen,
einem Gebäude ein so charakteristisches Gepräge zu geben, dass man
seine Bestimmung gerade ebensowenig auch nur einen Augenblick ver-
kennen konnte, als anderwärts die vieler gleichzeitigen errathen. Durch
die ausserordentlich sorgfältige Behandlung jedes Ddtails — eine Zier-
lichkeit, die bisher bei uns nicht erzielt worden — erreichte er jene
Wärme und jenen heiteren Adel, welche das schönste Erbtheil der Früh-
renaissance-Bauten sind. Wie schwer diess aber in einer Zeit zu erreichen
war, wo cs geübte Bauhandwerker kaum mehr gab, wo er jedes kleinste
Stück des kolossalen Baues selbst zeichnen und die Ausführung überwachen
musste, das kann man sich denken. Die Bewältigung einer solchen Auf-
gabe wäre denn auch nicht möglich gewesen ohne die ausserordentliche
Thatkraft und Unbeugsamkeit seines Charakters. Wenn man so viele
verschiedene Willen zu einem gemeinsamen Ziele, zu harmonischem Zu-
Anhang.
kehrend, entzückte er Schinkel sowohl durch den Reichthum seiner heim-
gebrachten Studien als durch den noch grösseren seines Geistes, so dass
er in ihm alsbald seinen dereinstigen Nachfolger sah und statt seiner ihn
1834 nach Dresden empfahl.
Hatte Semper bisher erst in Hamburg bei einem kleinen Bau seine
praktische Tüchtigkeit beweisen können, so fiel ihm nun alsbald eine
Reihe bedeutender Aufgaben zu, die Synagoge, eine grosse Kaserne in
Bautzen und Vorarbeiten für das Theater in Dresden. Sein Wirken dort war
so überaus segensvoll, dass man wohl sagen kann: es datire ein neuer Auf-
schwung von ihm, der sofort auch Rietschel und später Hähnel zu grossen
Aufgaben verhalf. Denn Semper hatte schon damals jenes Verständniss
für den genauen Zusammenhang der bildenden Künste unter sich, das
er uns Jüngeren erst später vermittelt hat. Bewies er das schon an der
Synagoge, einem kleinen Meisterwerk, wo seine Tendenz, die architek-
tonischen Formen vor allem als ein Mittel der Charakteristik zu benützen,
zuerst glänzend hervortrat, so geschah es bald noch in ungleich grösserem
Massstabe bei seinem berühmten Theater. Für die deutsche Baukunst
hat er hier geradezu epochemachend gewirkt durch das entschlossene
Zurückgreifen auf die Formen der italienischen Renaissance sowohl, als
besonders durch die harmonische Vollendung, die er diesem Bau in jedem
einzelnen Theile zu geben wusste — und das sowohl durch die ausser-
ordentlich geschickte Verwendung der Schwesterkünste, der Skulptur und
Malerei, als speziell auch der bis dahin in Deutschland so ganz vernach-
lässigten Dekoration, wo das Innere durch die eben so glänzende als
neue üeberwindung der Schwierigkeit einer architektonischen Motivirung
des Logenbaues überaus angenehm wirkte. Selten war es gelungen,
einem Gebäude ein so charakteristisches Gepräge zu geben, dass man
seine Bestimmung gerade ebensowenig auch nur einen Augenblick ver-
kennen konnte, als anderwärts die vieler gleichzeitigen errathen. Durch
die ausserordentlich sorgfältige Behandlung jedes Ddtails — eine Zier-
lichkeit, die bisher bei uns nicht erzielt worden — erreichte er jene
Wärme und jenen heiteren Adel, welche das schönste Erbtheil der Früh-
renaissance-Bauten sind. Wie schwer diess aber in einer Zeit zu erreichen
war, wo cs geübte Bauhandwerker kaum mehr gab, wo er jedes kleinste
Stück des kolossalen Baues selbst zeichnen und die Ausführung überwachen
musste, das kann man sich denken. Die Bewältigung einer solchen Auf-
gabe wäre denn auch nicht möglich gewesen ohne die ausserordentliche
Thatkraft und Unbeugsamkeit seines Charakters. Wenn man so viele
verschiedene Willen zu einem gemeinsamen Ziele, zu harmonischem Zu-