Anhang.
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sammenwirken vereinigen, widersprechenden Einflüssen aller Art begegnen
soll, so muss man jenes überwältigende Wesen haben, das er in ungewöhn-
lichem Grade besass. Den schönsten Schmuck verliehen freilich seinem
Bau die beiden genialen Meister Rietschel und Hähnel, deren fast gleich-
zeitiges Auftreten mit ihm in Dresden von entscheidendem Erfolge für
die deutsche Kunst war. Aber welche Kämpfe kostete es, die bis dahin
fast unerhört reiche Verwendung der Skulptur an einem Bau nur durch-
zusetzen! Und das alles mit Künstlern, die doch selber sich noch nicht
an grossen Aufgaben erprobt, also nicht das Gewicht eines allgemein
anerkannten Rufes in die Schale werfen konnten. Hier kam ihm nun
besonders der damalige Intendant v. Lüttichau überaus fördernd zu Hülfe,
so dass Semper seiner immer mit Dank und hoher Achtung gedachte.
Für diese Unterstützung war er um so dankbarer, als er selber weit
entfernt war von jener glatten Geschmeidigkeit, die anderen das Durch-
setzen ihrer Pläne bei Höfen und Behörden oft so sehr erleichtert. Dabei
war es ein wahres Glück, dass man ihn wenigstens allgemein ob seiner
dämonischen Willenskraft fürchtete; nur so gelang es in dem bis dahin
unglaublich verzopften Dresden im Kampfe mit dem leblosen Formalismus
der ledernsten Bureaukratie und dem engherzigsten Sparsinn der Kammern
eine völlig neue Kunstpcriode durch diesen Bau heraufzuführen. Das
Entzücken bei der Eröffnung desselben war denn auch freilich so gross,
dass von da an sein Ruf in ganz Deutschland festgestellt und alle seine
künftigen Unternehmungen unendlich dadurch erleichtert wurden, da sich
nun auch eine grosse Zahl hochbegabter Schüler um den Meister schaarte.
Unmittelbar darqjff wurde auch der Rienzi des noch ganz unbekannten
jungen Musikers Richard Wagner dort aufgeführt, so dass der Name von
vier grossen deutschen Künstlern unauflöslich mit diesem Bau verknüpft ist.
An Aufträgen fehlte es nunmehr nicht in der rasch wachsenden
Stadt. Zu seinen schönsten damaligen Werken gehörten das im vene-
zianischen Palaststil erbaute Oppenheim’sche Haus dort und die Villa Rosa
in der Antonsstadt. Auch den gothischen sogenannten Cholerabrunnen,
die Stiftung eines leidenschaftlichen Kunstliebhabers, baute er damals.
Sein schönstes Projekt aber, für die Nikolaikirche in Hamburg, blieb
unausgeführt, man zog ihm in seiner eigenen Heimath, mit jenem Mangel
an nationalem Ehrgefühl, der nur zu häufig auch heute noch in Deutsch-
land auftritt, das gothische eines Engländers vor, welches dem seinigen
an künstlerischem Werthe nicht entfernt gleichkam. Hamburg that sich
ja damals etwas darauf zu gute, nur eine englische Kolonie zu sein.
Dafür ward ihm jetzt in Dresden der Bau des neuen Museums
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sammenwirken vereinigen, widersprechenden Einflüssen aller Art begegnen
soll, so muss man jenes überwältigende Wesen haben, das er in ungewöhn-
lichem Grade besass. Den schönsten Schmuck verliehen freilich seinem
Bau die beiden genialen Meister Rietschel und Hähnel, deren fast gleich-
zeitiges Auftreten mit ihm in Dresden von entscheidendem Erfolge für
die deutsche Kunst war. Aber welche Kämpfe kostete es, die bis dahin
fast unerhört reiche Verwendung der Skulptur an einem Bau nur durch-
zusetzen! Und das alles mit Künstlern, die doch selber sich noch nicht
an grossen Aufgaben erprobt, also nicht das Gewicht eines allgemein
anerkannten Rufes in die Schale werfen konnten. Hier kam ihm nun
besonders der damalige Intendant v. Lüttichau überaus fördernd zu Hülfe,
so dass Semper seiner immer mit Dank und hoher Achtung gedachte.
Für diese Unterstützung war er um so dankbarer, als er selber weit
entfernt war von jener glatten Geschmeidigkeit, die anderen das Durch-
setzen ihrer Pläne bei Höfen und Behörden oft so sehr erleichtert. Dabei
war es ein wahres Glück, dass man ihn wenigstens allgemein ob seiner
dämonischen Willenskraft fürchtete; nur so gelang es in dem bis dahin
unglaublich verzopften Dresden im Kampfe mit dem leblosen Formalismus
der ledernsten Bureaukratie und dem engherzigsten Sparsinn der Kammern
eine völlig neue Kunstpcriode durch diesen Bau heraufzuführen. Das
Entzücken bei der Eröffnung desselben war denn auch freilich so gross,
dass von da an sein Ruf in ganz Deutschland festgestellt und alle seine
künftigen Unternehmungen unendlich dadurch erleichtert wurden, da sich
nun auch eine grosse Zahl hochbegabter Schüler um den Meister schaarte.
Unmittelbar darqjff wurde auch der Rienzi des noch ganz unbekannten
jungen Musikers Richard Wagner dort aufgeführt, so dass der Name von
vier grossen deutschen Künstlern unauflöslich mit diesem Bau verknüpft ist.
An Aufträgen fehlte es nunmehr nicht in der rasch wachsenden
Stadt. Zu seinen schönsten damaligen Werken gehörten das im vene-
zianischen Palaststil erbaute Oppenheim’sche Haus dort und die Villa Rosa
in der Antonsstadt. Auch den gothischen sogenannten Cholerabrunnen,
die Stiftung eines leidenschaftlichen Kunstliebhabers, baute er damals.
Sein schönstes Projekt aber, für die Nikolaikirche in Hamburg, blieb
unausgeführt, man zog ihm in seiner eigenen Heimath, mit jenem Mangel
an nationalem Ehrgefühl, der nur zu häufig auch heute noch in Deutsch-
land auftritt, das gothische eines Engländers vor, welches dem seinigen
an künstlerischem Werthe nicht entfernt gleichkam. Hamburg that sich
ja damals etwas darauf zu gute, nur eine englische Kolonie zu sein.
Dafür ward ihm jetzt in Dresden der Bau des neuen Museums