Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Siebert, August
Der Palmengarten zu Frankfurt a. M. — Berlin, 1895

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26642#0045
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. Geschichte.

27

Thätigkeit und der nicht genug anzuerkennenden Umsicht der Herren vom engeren Aus-
schuss, welchen wieder, wie bei allen ähnlichen Gelegenheiten, Herr Grün als erprobter
maitre de plaisir im Schweisse seines Angesichts zur Seite stand oder vielmehr lief, denn
Zeit zu verlieren war an dem Nachmittage nicht. Hatte man sich an dem lustigen Durch-
einander sattgeschaut, bekam man natürlicherweise Durst, und es war ganz enorm, welch
ein Durst entwickelt wurde. Da luden die hübsch ausgestatteten Hallen des Henninger-
Bräu und des Löwen-Bräu, die geräumige Aepfelweinwirtschaft von Freyeisen zu gastlichem
Verweilen ein, aber viel Glück und noch mehr Geduld musste man haben, um ein Plätz-
chen zu erwischen. Dann allerdings liess es sich hier prächtig ausruhen, der Stoff war gut,
die belegten Brötchen und Würstel waren es gleichfalls und wer genügende Ausdauer hatte,
konnte sich hier in aller Gemütsruhe dem Abend entgegenrestaurieren; und es gab ge-
nügend solcher Ausdauernder sowohl im Neu- wie im Altgarten, trafen wir doch selber
verschiedene sesshafte Leute, welche sich zur Sicherheit auf diese Weise vom Mittag bis
zum Abend ihre Plätze „hielten“. Dann begann es stiller zu werden auf dem weiten
Spielplätze vor der Ginnheimer Höhe, vom Taunus trug der Abendwind das Dunkel in die
Baumgruppen des Gartens und grün und rot schoss es aus den Weihern empor, leuchtete
es zwischen Aesten und Stämmen und in den Wipfeln der Bäume, die Blumenparterres
erstrahlten in farbigem Lichterglanze, der Tatzelwurm sandte seine Lichter hinaus in die
Nacht und im grossen Saale unter dem leuchtenden Brillantstem drehten sich fröhliche
Menschen im Tanze, bis die Mitternachtsstunde schlug. So ist der Palmengarten wieder
um ein schönes Fest reicher, um ein Fest, welches er mit Stolz in seinen Annalen ver-
zeichnen kann, als allseitig gelungenes, echtes, rechtes Volksfest.

Der finanzielle Erfolg dieses Festes war ein bedeutender, es wurden 12287 Mk. ver-
einnahmt. Die Unkosten waren durch das vielseitig Gebotene allerdings auch sehr hoch.

Als dritte und letzte dieser Veranstaltungen fand am 21. August ein Sommerfest statt,
welches einen würdigen Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten bildete. Wenn bei dem
Bankett im Juni einer der Redner meinte, der Palmengarten sei zwar noch ein Kind, aber
ein solches, an dem jedermann seine Freude haben müsse,' so konnte man dieses Wort
wieder einmal mit bestem Gewissen unterschreiben. Die Ausschmückung der
Gartenanlagen mit bunten Lampions und Gassternen bot einen reizvollen Anblick, der
durch den Farbenwechsel der fontaine lumineuse noch gehoben wurde. Der Besuch des
Festes war ein sehr guter, immerhin wäre er sicher noch besser ausgefallen, wenn nicht
am Abend ein paar Regentropfen gefallen wären, die manchen abschreckten. Das Wetter
hielt sich aber trotzdem, und so konnte der Sommertag bis zur Neige im Freien ausgekostet
werden. Schade nur, dass die Hitze kaum abnehmen wollte; es waren um 10 Uhr abends
noch 21 Grad R. Nachdem die Festlichkeiten mit einem Frühkonzert begonnen, gab es
nachmittags und abends Doppelkonzerte der Gartenkapelle und der Husaren, und bei völlig
eingetretener Dunkelheit wurde im Neugarten das Jubiläumsfeuerwerk abgebrannt. Sehr
hübsch war der bewegliche Bajazzo, der im Brillantfeuer seine zappelnden Bewegungen
machte. Er hatte den Lacherfolg auf seiner Seite, während die schönen Verwandlungs-
stücke: Sonnen, Mühlenflügel und Kaskaden lebhaften Applaus ernteten. Die Schluss-
dekoration: Frankofurtia und Flora, welche eine Gedenktafel mit der Inschrift 1868—1893
bekränzten, bildete eine Huldigung auf das Jubiläum des Etablissements.

Eine durchgreifende bauliche Aenderung, welche eine wertvolle Verbesserung sowohl
in praktischer, wie in sanitärer Beziehung erwarten lässt, ist noch zu erwähnen: es ist die
Einrichtung einer Niederdruck-Dampfheizung an Stelle der unzureichenden Luftheizung für
das Gesellschaftshaus, wie solche den modernen Anforderungen der Technik entspricht.
Die Anlage wurde der Firma Fellner & Ziegler in Bockenheim übertragen. Im Anschluss
an diese Heizungsanlage wurde vom Maschinenhaus nach den Blütengalerien ein passir-
 
Annotationen