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Sieglin, Ernst von; Watzinger, Carl [Hrsg.]; Schreiber, Theodor [Hrsg.]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 2,1B): Malerei und Plastik — Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27682#0052
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MÄNNERKÖPFE

angedeutet. Nach dem Halsansatz und der fehlenden Ausarbeitung der rechten Seite
war der Kopf nach seiner rechten Schulter gewandt und etwas emporgerichtet.
Flüchtige, idealisierende Porträtskizze.

Die zeitliche und künstlerische Stellung dieser Kopfskizze wird durch eine eigen-
tümliche Mischung verschiedener Stilelemente bestimmt. Der mittlere Teil der Unter-
stirn lädt über derWurzel der breiten plumpen Nase kräftig aus und ist durch tiefe Furchen
beiderseits von den seitlich über das Unterlid sich vorschiebenden Brauenwülsten ge-
schieden. Die Augen haben einen elegisch schmachtenden Blick, der durch das leichte
Herabziehen des in der Mitte verdickten Unterlides erzeugt wird. Das Haar ist in
einen mittleren, emporstrebenden und über der Stirn ausladenden Lockenwulst und
seitliche, mehr anliegende Partien geschieden; in dieser Gliederung setzt sich dieTeilung
der Stirn fort. Sehr klein ist der Mund gebildet, leicht geöffnet, mit vibrierenden Lippen
und weichem Übergang in die flachen Wangen. Eine tiefe Einsenkung trennt die
Unterlippe von dem kleinen, rundlichen Kinn. Wie sich schon in der Bildung der
Augen skopasische und praxitelische Formen verbinden und dadurch das erregte
Pathos des Blickes zu einer weicheren Stimmung gemildert wird, so vereinigt sich
in derselben Mischung das knappe, skopasische Untergesicht mit der praxitelischen
Rundung des Umrisses und den schwellenden Übergängen von Mund und Wangen.
Die Bildung von Stirn und Haar mit der unruhigen Gliederung der Oberfläche weist
dagegen bereits über die Stufe dieser Meister und ebenso über die natürliche Unruhe
des Haares des Apoxyomenos hinaus. Man spielt also bereits mit den äusserlichen
Ausdrucksformen einer vorausliegenden Zeit, ohne mit deren Kraft und Grösse noch
wetteifern zu können. Auch das Persönliche des Porträts klingt nur noch schwach
unter der flüchtigen Allgemeinheit der Züge an.

Schon Sieveking hat, ausgehend von einem Jünglingskopf der Münchner
Glyptothek, in dem er dieselbe frühhellenistische Mischung praxitelischer und sko-
pasischer Formgebung erkannte, den Sieglinschen Kopf geradezu als ein Schul-
beispiel für den Stil einer ganzen Gruppe von Köpfen erklärt, unter denen der einst
mit Stierhörnern ausgestattete, jugendliche Diadochenkopf der Sala dei Busti des
Vatikan künstlerisch am höchsten steht1. Neu hinzugekommen ist seitdem ein

1 Sieveking, Münchener Jahrbuch 1916/17 X 182 Abb. 3; vgl. auch Lawrence a. a. O. 182. — München: Wolters,
Führer durch die Glyptothek 1922, 32, Nr. 480. — Vatikan: Amelung, Vatikankatalog II, Nr. 338, Tafel 72; Arndt,
Porträts 489/90, nach unergänztem Abguss bei Sieveking, Abb. 1 und 6. — Ny Carlsberg Glyptothek Nr. 453, Billed-
taveler, Tafel 3 3; Arndt, Porträts 577 (aus Ägypten). — Ny Carlsberg Nr. 262, Billedtaveler, Tafel 19; Arndt, Glyptotheque,
Tafel 1 18 (aus Rhodos), von Schreiber, Bildnis 75, Anm. 20; 288 ohne Grund als Hephaistion bezeichnet. — Ny Carls-
berg Nr. 252, Billedtaveler,Tafel 18; Arndt, Glyptotheque, Tafel 117 (aus Athen).
 
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