DIE WELTVERFASSUNG
Es ging die Kunde durch das Volk, daß Minister, die
die Verfassung durchberieten, die Forderung aufstellten,
eine Verfassung müsse auf den 10 Geboten stehen.
Das war eine tröstliche Aussicht, denn dann hätten wir
gerade 10 Artikel in der Verfassung, es sind aber doch
188 geworden, eigentlich mehr, denn die einzelnen Artikel
haben noch viele 1., 2., 3. usw. Aber in der Kürze
liegt die Würze.
Gut, daß Moses kein Jurist war, sonst wäre aus den
10 Punkten, die er erhielt, auch noch 1., 2., 3. usw. ge-
worden.
Dabei handelt es sich bei den 10 Geboten um eine
Weltverfassung, die bindend angenommen, alle Streitig-
keiten aus der Welt schaffen würde. Das ganze Durch-
einander kommt nur durch diese 1., 2., 3. Wenn einer
im Geschäftsleben viele Worte macht, weiß man, er ver-
birgt etwas.
In der Wcltverfassung steht einfach: Du sollst nicht,
stehlen. Aber nicht hinterher, es sei denn
A 1) wenn .... dann darfste
2) wenn .... dann darfste
B 1) wenn .... dann darfste
2) wenn .... dann darfste
C durch Gesetz kann der Artikel aufgehoben werden!
Von dem Artikel: Du sollst nicht töten, ganz zu schwei-
gen, er würde mit „wenn . . . ." Bände füllen.
Die Erfüllung der Forderung, die Verfassung auf diese
10 Artikel aufzubauen, wäre grandios durch seine ver-
blüffende Einfachheit, ohne alle 1., 2., 3. usw. Sind
vielleicht die unzähligen Dogmen der Parteien und Reli-
gionsgesellschaften daran schuld, die sie verhindern?
Es bleibt nichts übrig, wir müssen uns mit Artikel 1—188
und 1., 2., 3. usw. herumschlagen. Aber prüfen wir
wenigstens eingehend, ob die Punkte ausschließ-
lich das Wohl des Volkes wollen, wie die Weltver-
fassung in den 10 Geboten, die nur zu Glück und
Frieden führen für alle Menschen. Gowill
VON DER WIEGE BIS ZUM GRABE
ART. 149
(1) Die Gemeinden haben dafür zu sorgen, daß jeder
Verstorbene schicklich ■ beerdigt werden kann. Über
die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften haben
diese selbst zu bestimmen.
(2) In Friedhöfen, die nur für einzelne Religionsgemein-
schaften bestimmt sind, ist die Beisetzung Anders-
gläubiger unter den für sie üblichen Formen und
ohne räumliche Absonderung zu gestatten, wenn ein
anderer geeignetei Begräbnisplatz nicht vorhanden ist.
Nachdem der Einfluß der Kirchen auf den bayer. Staats-
bürger von der Schule und hiermit bis zum Grabe ver-
fassungsmäßig gewährleistet ist, würde der folgende Ar-
tikel nur eine würdige Ergänzung darstellen:
ART. 124 m
(1) Die Mutterschaft genießt den besonderen Schutz des
Staates. Über die Anteilnahme der Religionsgemein-
schaften habe diese selbst zu bestimmen.
(2) Jedem neugeborenen Staatsbürger steht die Auf-
nahme in ein Bekenntnissäuglingsheim frei.
(3) Die öffentlichen Kindergärten sind Bekenntniskinder-
gärten. Den Erziehungsberechtigten steht die Wahl
der Kindergärten frei.
Von der Wiege bis zum Grabe, oder sollte man etwa
noch weiter vorgreifen .. . ? -naso-
DER BESCHEID
Alois hatte ein Gesuch bei der Behörde eingereicht. Alois
war schüchtern. Nach Jahresfrist ging er zur Behörde
lind fragte nach dem Bescheid. Es lag keiner vor. Alois
berief sich auf die Verfassung Artikel 115:
„Alle Bewohner Bayerns — und er sei doch wohl
einer — haben das Recht, sich mit schriftlichen
Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Behörden
— und diese sei doch zuständig — zu wenden."
„Allerdings," meinte wohlwollend der Beamte, „aber ein
Verfassungsartikel in der Art: .Alle Behörden haben
die Pflicht, schriftlich auf Bitten oder Gesuche zu ant-
worten' ist uns nicht bekannt. Wo kämen wir da auch
hin?" M. S.
DIE VERFASSUNG ALS BEGRÄBNISORDNUNG
ARTIKEL 149 DER BAYERISCHEN VERFASSUNG
M. Badler
Ein schickliches Begräbnis
Kein schickliches Begräbnis
Die Ordnung kann durch Gesetz geändert werden
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Es ging die Kunde durch das Volk, daß Minister, die
die Verfassung durchberieten, die Forderung aufstellten,
eine Verfassung müsse auf den 10 Geboten stehen.
Das war eine tröstliche Aussicht, denn dann hätten wir
gerade 10 Artikel in der Verfassung, es sind aber doch
188 geworden, eigentlich mehr, denn die einzelnen Artikel
haben noch viele 1., 2., 3. usw. Aber in der Kürze
liegt die Würze.
Gut, daß Moses kein Jurist war, sonst wäre aus den
10 Punkten, die er erhielt, auch noch 1., 2., 3. usw. ge-
worden.
Dabei handelt es sich bei den 10 Geboten um eine
Weltverfassung, die bindend angenommen, alle Streitig-
keiten aus der Welt schaffen würde. Das ganze Durch-
einander kommt nur durch diese 1., 2., 3. Wenn einer
im Geschäftsleben viele Worte macht, weiß man, er ver-
birgt etwas.
In der Wcltverfassung steht einfach: Du sollst nicht,
stehlen. Aber nicht hinterher, es sei denn
A 1) wenn .... dann darfste
2) wenn .... dann darfste
B 1) wenn .... dann darfste
2) wenn .... dann darfste
C durch Gesetz kann der Artikel aufgehoben werden!
Von dem Artikel: Du sollst nicht töten, ganz zu schwei-
gen, er würde mit „wenn . . . ." Bände füllen.
Die Erfüllung der Forderung, die Verfassung auf diese
10 Artikel aufzubauen, wäre grandios durch seine ver-
blüffende Einfachheit, ohne alle 1., 2., 3. usw. Sind
vielleicht die unzähligen Dogmen der Parteien und Reli-
gionsgesellschaften daran schuld, die sie verhindern?
Es bleibt nichts übrig, wir müssen uns mit Artikel 1—188
und 1., 2., 3. usw. herumschlagen. Aber prüfen wir
wenigstens eingehend, ob die Punkte ausschließ-
lich das Wohl des Volkes wollen, wie die Weltver-
fassung in den 10 Geboten, die nur zu Glück und
Frieden führen für alle Menschen. Gowill
VON DER WIEGE BIS ZUM GRABE
ART. 149
(1) Die Gemeinden haben dafür zu sorgen, daß jeder
Verstorbene schicklich ■ beerdigt werden kann. Über
die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften haben
diese selbst zu bestimmen.
(2) In Friedhöfen, die nur für einzelne Religionsgemein-
schaften bestimmt sind, ist die Beisetzung Anders-
gläubiger unter den für sie üblichen Formen und
ohne räumliche Absonderung zu gestatten, wenn ein
anderer geeignetei Begräbnisplatz nicht vorhanden ist.
Nachdem der Einfluß der Kirchen auf den bayer. Staats-
bürger von der Schule und hiermit bis zum Grabe ver-
fassungsmäßig gewährleistet ist, würde der folgende Ar-
tikel nur eine würdige Ergänzung darstellen:
ART. 124 m
(1) Die Mutterschaft genießt den besonderen Schutz des
Staates. Über die Anteilnahme der Religionsgemein-
schaften habe diese selbst zu bestimmen.
(2) Jedem neugeborenen Staatsbürger steht die Auf-
nahme in ein Bekenntnissäuglingsheim frei.
(3) Die öffentlichen Kindergärten sind Bekenntniskinder-
gärten. Den Erziehungsberechtigten steht die Wahl
der Kindergärten frei.
Von der Wiege bis zum Grabe, oder sollte man etwa
noch weiter vorgreifen .. . ? -naso-
DER BESCHEID
Alois hatte ein Gesuch bei der Behörde eingereicht. Alois
war schüchtern. Nach Jahresfrist ging er zur Behörde
lind fragte nach dem Bescheid. Es lag keiner vor. Alois
berief sich auf die Verfassung Artikel 115:
„Alle Bewohner Bayerns — und er sei doch wohl
einer — haben das Recht, sich mit schriftlichen
Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Behörden
— und diese sei doch zuständig — zu wenden."
„Allerdings," meinte wohlwollend der Beamte, „aber ein
Verfassungsartikel in der Art: .Alle Behörden haben
die Pflicht, schriftlich auf Bitten oder Gesuche zu ant-
worten' ist uns nicht bekannt. Wo kämen wir da auch
hin?" M. S.
DIE VERFASSUNG ALS BEGRÄBNISORDNUNG
ARTIKEL 149 DER BAYERISCHEN VERFASSUNG
M. Badler
Ein schickliches Begräbnis
Kein schickliches Begräbnis
Die Ordnung kann durch Gesetz geändert werden
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Die Verfassung als Begräbnisordnung. Artikel 149 der bayerischen Verfassung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschriften: 1) "Ein schickliches Begräbnis." 2) "Kein schickliches Begräbnis." 3) "Die Ordnung kann durch Gesetz geändert werden"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 1.1946, Nr. 13, S. 161.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg