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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 2.1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.6589#0071
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HÖHERE

Dinge gehen vor im Mond, die das Kalb selbst nicht
gewohnt, mit Ausnahme der rötlichen vielleicht.
Manches auf dem Gebiet der jüngeren Politik gehört
wahrhaftig in das Bereich des Wunderbaren, gleichsam
Mysteriösen. Ein Lehrbeispiel hierfür ist die Schöpfung
der bayerischen Regierungskoalition. Ihr Schöpfer ist
bekanntlich der Wiedererwecker der verfassungsmäßig
garantierten Konfessionsschulcn Dr. Wilhelm Högner,
Olympiasieger in „Pensionsschnellberechnung".
Auch Rasteiii, sagt man, nagte einmal so ausgiebig am
Schweizer Hungertuch, bis er infolge zu starker Gewichts-
zunahme für seinen Beruf untauglich wurde. Er ver-
wechselte immer häufiger die roten mit den schwar-
zen Bällen. Schließlich ging er an dieser Farbenblind-
heit zugrunde. Eine schwere, schwarze Kegelkugel, die er
irrtümlich für einen rosa Luftballon gehalten, fiel ihm
— exitus laetalis — auf sein Gedankenfach. Nun, bei
glücklicheren Naturen macht das fast garnichts aus.
Wer kam als Koalitionspartner überhaupt in Frage? Der
rechteste Flügel der SPD in Bayern Hand in Händchen
mit dem linken Flügel der CSU? — Bewahre! Denn der
linke CSU-Flügel wäre für diese Partnerschaft zu sozial,
zu radikal, zu demokratisch. Für eine solche Ehe taugte
nur der monarchistisch-partikularistisch-klerikale Flügel
der Bayerischen Volks-Partei des seligen Dr. Hei m.
Und da war zum Glück Alois Hundhammer, ehe-
maliger Schüler und Sekretär Dr. Heims zu Zeiten des
französischen Gesandten D a r d in München, um 1920
herum. Nebenbei waren Schulz und Tillessen —
die nachmals dann den Zentrumsmann Erzberger
umbrachten — bekanntlich zu derselben Zeit bei Dr.
Heim, Hundhammers großem Lehrer, in Regensburg be-
schäftigt. Also: Weiß-blau und ein Spritzerchen rot —
und die bayerische Krön' ist noch lange nicht tot. Und
somit: Vive la coalition! (Ein Zebra erscheint daneben
noch ,,uni").

Aber zur Sicherung der Högnerschen Koalition fehlte bloß
noch Minister L o r i t z mit seinem wackeren WAV-
Fähnlein. Was tut's, daß derselbe Loritz noch 48 Stun-
den vor Geburt der Koalition von Högner und seinen
Getreuen als „zweiter Hitler" und ,,großkapitalistischer
Agent" bezeichnet wurde? In letzter Minute fand Loritz
Gnade in den Augen Dr. Högners. Dr. Högner indessen
hielt mit seinen Getreuen in urdemokratischer Art fast
alle Schlüsselstellungen der SPD in Händen (der zweite
Bürgermeister von München, Wimmer, hat allein ein

POLITIK

halbes Dutzend inne). So sagte die SPD-Fraktion im
Landtag mit ihrer Mehrheit: Ja und Amen.
Wieso er zu der Mehrheit kam? Ganz einfach! Jean
Stock ist z. B. Fraktionsvorsitzender der SPD; und
was die Wittelsbacher konnten und andere erlauchte
Herrscherhäuser, das konnte doch Herr Dr. Högner auch.
Und wenn, parbleu, Jean Stock der Fraktion vorsitzt und
in der Sippe Högner drinsitzt, dann muß es ja klappen.
Das geschah aber folgendermaßen: Ein Töchterchen des
Schweizer Högner (— Platz dem Landvogt! —) heiratete
den Stocksohn. Nur die Mitgiftsache, d. h. die Teilung
der Würzburger Handelskammer,*) glückte bislang vorbei.
Was sagt die SPD-Fraktion im Landtag dazu? Sie
schämt sich ihres „S's" in ihrer Mehrheit schon gerade-
zu; und das ist das einzige, was sie an „Rötlichem"
noch aufbringt. Seine Eminenz, voll Verständnis, weil
ja ein alter Freund der Wittelsbacher, spricht huldvoll
ein paar Worte. Schließlich hat Dr. Högner auch bei
dem freilich schiefgegangenen Unternehmen mit dem
„Staatspräside" für die „Gute Sach'" allerhand riskiert.
Sogar die Landtagsfraktion hatte vorübergehend eine
kleine Wallung. Aber sie verzischte ebenso schnell wie
ein Guß Wasser in einer Kalkgrube.
Denn vergessen Sie nicht: wir zahlen einem Minister,
plus Repräsentation 32 000.— RM, dem Präsidenten
37 000.— RM, dem Oberbürgermeister 33 000.— RM
(dafür kommt auch Herr Wimmer nicht zu kurz). Und
jedem, der von ferne einmal Staatssekretär war oder
gar Minister etwa auf ein Jahr, dem zahlen wir sein
Leben lang die volle — ja, die volle Ministerpension.
„Vivat humanitas!", so nennt man das seit längerem
im Jargon der Koalition.

Nun aber kriselt es im Gebälk. Es kracht sogar! Und
um der kommenden Landestagung der SPD in Landshut
von vorneherein den koalitions-unfreundlicheh Wind aus
den Segeln zu nehmen, kam die Fraktion zu dem Ergeb-
nis — demokratisch, wie sie unter der Fuchtel Dr. Hög-
ners nun einmal ist —, sich selbst von der Mehrheit
der Partei nicht majorisieren zu lassen. Die Demokratie
in Ehren, aber wenn sich die Demokratie der Sozial-
demokratie sogar gegen Ministersessel und -gehälter

*) Anm. d. Red.: Um Jede unsachliche Unterstellung zn ver-
meiden, verweisen wir den Interessenten darauf, daß bei der
Sache mit der Teilung der Würzburger Handelskammer und die
Errichtung einer zweiten selbständigen Kammer in Aschaffen-
burg sehr leicht der Vorwand „bayerische Interessen gegen hessi-
schen Imperialismus zu schützen", benutzt werden könnte.

der eigenen Minister wendet, hört der Spaß auf. So
meint zum wenigsten Dr. Högner mit seinen Hundham-
mer-getreuen Treuen.

Und nun sind wir neugierig, wer in Landshut wem
diktieren wird: Högners Minorität der Majorität seiner
Partei oder sollte am Ende der unwahrscheinliche Fall
eintreten, daß die Mehrheit der Partei sich gegen die
Minderheit Dr. Högners und seiner Fraktion durchsetzt?
Doch wäre das wohl nicht mehr „höhere Politik".

LACKMUSPAPIER

Wer ein bißchen in Chemie Bescheid weiß, kennt das
Lackmuspapier. Das ist ein Streifchen blaues Papier,
das sofort sanft errötet, wenn es mit einer Säure in
Berührung kommt. Also, wenn man wissen will, wo
Säure ist, sei's Schwefelsäure oder Kohlensäure oder
Salzsäure oder so was, hält man's hin, und schon kann
jedes Kind erkennen, was los ist. Ein braves Papier,
dieses Lackmuspapier, ein ausgezeichnetes Reagensmittel.
Man kann nicht fehlgehen.

Wie praktisch wäre es, wenn man auch so ein Reagens-
mittel hätte, um zu erkennen, ob einer ein Nazi warl
Gibt's wirklich keins? Wollen mal sehen.
Erinnern Sie sich noch der Zeit, in der Sie eigentlich
von jedem wußten, ob er einer von den braunen Brüdern
war, ein Gefährlicher? Das war doch sehr einfach: jeder,
vor dem Sie Angst haben mußten, Ihre politische Mei-
nung zu sagen, war sicher ein Nazi. Wenn Sie sich hüten
mußten, mit der Sprache herauszurücken, wenn Sie Ihre
Worte auf die Goldwaage legen mußten, um nicht ins
KZ zu kommen oder vor den Kadi in Gestalt Ihres
angestammten Gau-, Kreis- oder Ortsgruppenleiters zn
geraten, so war der oder die, mit dem oder der Sie
sprachen, ein Originalnazi.

Wissen Sie noch, wenn plötzlich der Freund Sie in die
Seite puffte und flüsterte: „Pst, Vorsicht", dann wußten
Sie Bescheid. '

Na also, da haben wir ja das Reagens: Jeder, vor dem
Sie politische Angst haben mußten, war unbedingt ein
Nazi, ob er nun Ihr Gauleiter, Ihr Friseur oder Ihr
Bürochef war, ob er eine Blechmarke im Knopfloch trug
oder ein unbewehrtes Loch hatte. Was aber politische
Angst ist, braucht nicht näher definiert zu werden, das
haben wir uns in den dreizehn Jahren an den Schuh-
sohlen abgelaufen.

Demnach: Wer Lackmuspapier rot färbt, ist sauer, und
wer Angst erregte, war Nazi. Ich glaube, das ist ein
ganz bräuchbares politisches Lackmuspapier, für den
Hausgebrauch, für den Kammergebrauch, vielleicht sogar
für den Spruchkammergebrauch.

Walter Foitzicfe

V

DIE SCHULDIGEN

Du glaubst, mein Kind, der Mensch sei schlecht.

Du spürst den Schlag und grämst dich oft,

Gemeinheit trifft dich unverhofft.

Du fühlst empört: Das war nicht recht!

Sei still, mein Kind, und tröste dich:

Nicht Mensch quält Mensch an allen Ecken,

Die Menschen sind so böse nicht,

Mein Kind, es sind: die Sonnenflecken!

Sie stören deinen Radio,

Sie bringen Sturm auf allen Meeren,

Sie lassen Flut dein Land verheeren,

Verdorbne Saat erst macht sie froh!

Auch hört man im Getöse nicht

Die Glocken, die den Frieden wecken.

Die Menschen? — Nein, wär'n böse nicht,

Sie werden's erst durch Sonnenflecken.

Vulkane brodeln überall

Vom Aetna bis zum Krakatau.

Verzweifelt tanzen Mann und Frau

Auf dem Vulkan beim bunten Ball.

Auch wenn der Erde Größe bricht

Aus Tiefen aus, um uns zu schrecken:

Vulkane auch sind böse nicht,

Bös machen sie — die Sonnenflecken!

Du schreist in Schmerz und rufst in Not,
Kein andrer hilft, er merkt es kaum.
Du stößt an ihn im engen Raum,
Er kaut gelassen sein Stück Brot.
Glaub nicht, er sei ein Bösewicht,
Er muß sich nach der Decke strecken.
Wir Menschen sind doch böse nicht,
Es sind, mein Kind, die Sonnenflecken!

Drum halte still, du weißt es ja:

Die Sonne hätte längst beschieden

Der Erde ew'gen Völkerfrieden

In Asieuropamerika.

Drum bete laut: Erlöse mich —

(Mag Wolf dem Wolf die Zähne blecken,

Die Menschen sind so böse nicht!)

Drum, Herr, nimm fort die Sonnenflecken!

Vim

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Höhere Politik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Beyer, Helmut
Entstehungsdatum
um 1947
Entstehungsdatum (normiert)
1942 - 1952
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 2.1947, Nr. 6, S. 71.

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