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FIAT HUMANITAS, PEREAT JUSTITIA

LIEBE FREUNDE!

Reibt Euch doch endlich die Augen! Wachet wie-
der einmal auf! Es muß alles anders werden,
wieder einmal anders! Und das Neue muß von
innen kommen, wissen Sie, von ganz da drinnen,
wo es warm, feucht und dunkel ist, wo die
Triebe, der Führer, die Gefühle, das Nordische
und all das andere dicht beeinander hausen und
wo der Verstand sein Recht verloren hat. Diese
neue Operation läuft unter dem Decknamen
HUMANITAS und sie soll sein eine totale! Die
Zeit des Rechtens und Hadems ist vorüber, der
neue Glaube bricht an! Uebe Barmherzigkeit,
entlaste Deinen Nächsten wie Dich selbst! Und
so Ihr des neuen Glaubens teilhaftig werdet,
wird Euch Recht geschehen! Denn sehet, was
weder Gesetz noch Fragebogen vermochten, ist
der organisierten Barmherzigkeit nur ein Spiel.
Wehe denen, die den politischen Außenseitern
vertraueten und sich eilends vor die Spruch-
kammern drängten in der Hoffnung, vor dem
anderen einen Vorsprung, einen Vorteil zu er-
haschen, sie mußten ihre Geschäftigkeit bald
büßen. Gar mancher unter ihnen, der seine
eigene Schuld nur gering einschätzte, verlor ob
dieser Ueberheblichkeit Stellung, Wohnung oder
doch mindestens Bargeld und ging an seinem
guten Glauben irre. Die aber ausharreten im
Glauben an ihre gute Sache, erweckten Mitleid
und Barmherzigkeit und werden nun die Früchte
ihrer demütigen Zurückhaltung ernten und wie-
der in ihre Rechte eingesetzt werden.
Wehe den Lizenzträgern, die heute gar mun-
ter auf Maschinen drucken, welche nicht ihr
Eigentum sind, wehe auch den Fabrikanten, die
mit anderer Menschen Einrichtungen Geld schef-
feln, wehe vor allem denen, die sich in Häusern
und Wohnungen niederließen, die sich andere
vor ihnen im Schweiße ihrer Dienstbarkeit er-
warben! Denn die christliche Kirche zweier Kon-
fessionen erhob ihre gewaltige Stimme und er-
barmte sich der demütig Wartenden und Ver-
folgten, gewillt den Schuldigern der Vergangen-
heit zu vergeben, soweit sie sich nicht unterein-
ander selbst vergeben konnten. Kein fühlender
und gläubiger Mensch kann diese Stimme über-
hören, die die Stimme der Barmherzigkeit ist,
und keine noch so verstockte Spruchkammer
wird sich dieser Stimme verschließen wollen —
oder können.

Und so lasset mich denn von den Wohltaten der
Barmherzigkeit erzählen: Der durch den VB, die
Brennessel und zahllose NS-Plakate bekannte
Antisemit „Mjölnir", alias Hans H. Schweitzer,
Mitbegründer des „Angriffs", Mitherausgeber
des „Buches Isidor", SS-Sturmbannführer im
Stabe des Reichsführers, Reichskultursenator,
Präsident der Reichskammer der bildenden
Künste und Reichsbeauftragter für „künstleri-
sche Formgebung" mußte sich, um wieder ar-
beiten zu dürfen, einer Spruchkammer stellen.
Selbige wa/d offenbar von der Einsicht gelenkt,
daß der wiederauflebende Antisemitismus sich
nicht weiter auf jüdische Friedhöfe beschrän-
ken darf, sondern nach, „künstlerischer Form-
gebung" schreit. Sie beließ ihm seinen Besitz als
Grundlage zu neuem Schaffen und begnügte
sich mit einem Sühnebetrag von 500.— RM.
Wäre es nicht unbillig und schamlos gewesen,
den Prof. Mommsen zu belasten nur deshalb,
weil er im Dritten Reich eine deutsche Ge-
schichte „Von Bismarck bis zur Gegenwart" her-
ausgeben ließ und durch seinen bekannten, wohl-
klingenden Namen manchen gutgläubigen Deut-
schen irreführte? Gibt der Professor doch sogar
an, dieses Werk nicht allein verfaßt zu haben.
Da allerdings aus dem Text eine Mitwirkung
anderer Autoren nicht zu erweisen war, ist es
eine selbstverständliche Pflicht christlicher
Nächstenliebe, den großen und begnadeten
Historiker zu entlasten.

Auch der bekannte Steinmetz Hitlers, Josef
Thorak, fand barmherzige Richter, die sich ent-
gegen den üblichen Spruchkammergepflogenhei-
ten auf den Standpunkt stellten, der Betroffene
würde mit ode,r ohne Hitler sein Geld verdient
haben. Die also mit neuem Geist erleuchtete
Kammer erklärte ihn für nicht betroffen.
Schließlich geht es hier ja auch um die Rettung
unserer dürftigen Kulturfragmente, die zur Er-
haltung des Abendlandes und teutschen Wesens
unerläßlich sind. Und so wird jeder rechtlich
denkende Mensch — das Schweigen der Oeffent-
lichkeit bestätigt die Annahme — damit ein-
verstanden sein, daß der ehemalige Chefredak- '
teur der „Münchner Neuesten Nachrichten",
Giselher Wirsing, Pg. seit 1941, freiwillig bei der
SS seit 1938 und später Sturmbannführer sowie
Mitarbeiter des SD, als Zweitausendmark-Mitläu-
fer aus der Lagerspruchkammer hervorgeht. Hat
doch der Betroffene selbst einige Zeugnisse der
Barmherzigkeit vorzuweisen und waren die MNN

bekanntlich doch fast ohne jeden, Einfluß auf
die Bildung der Münchner öffentlichen Meinung.
Liebe Freunde! Die Treue i s t eine Tugend.
Und so gebühret all denen, die ihren Glauben
niemals verleugneten, unsere besondere Anerken-
nung. So mutet es uns fast wie Hohn an, wenn
die Regensburger Lagerspruchkammer den Zie-
geleibesitzer Ferdinand Erbersdobler zum „Mit-
läufer" stempelt, -nur weil er seit 1925 Pg., seit
1926 Mitglied der SS und Vertrauensmann des
SD seit 1941 und Träger des goldenen Partei-
abzeichens war. Um so erfreulicher berührt uns
deshalb die Nachricht aus Hamburg, allwo der
Obersturmbannführer Martin Tappe, Komman-
dant eines Stabsquartiers und „SS-Einsatzkom-
mandoführer" mit hohen Auszeichnungen, auf
Kosten der Staatskasse freigesprochen wurde.
Wie sollte uns das Herz nicht höher schlagen,
wenn wir vernehmen, daß dem Polizeioberleut-
nant Bauer, der unschuldigerweise von einer
Münchner Sprüchkammer für zwei Jahre in ein
Arbeitslager verwiesen wurde, weil er die Leute
seiner Kompanie dahingehend belehrte, KZ-
Insassen seien ausnahmslos Verbrecher, die man
umlegen könne, wenn es nicht gerade vor Zeu-
gen geschehe, endlich Gerechtigkeit widerfah-
ren ist, indem er von der Berufungskammer als
„Vom-Gesetz-nicht-betroffen" erklärt wurde.
Doch, liebe Freunde, es sind Tränen der Rüh-
rung, die meinen Blick trüben, wenn ich sehe,
wie das Volk trotz aller Heimsuchungen in steter
Treue an den Besten und Edelsten seines Landes
hängt, an unserem alten Adel. Voller Andacht
hörte das Spruchgericht zu Bergedorf das Glau-
bensbekenntnis unseres geliebten Erbprinzen und
SS-Sturmbannführers Ernst zur Lippe an, als er
freimütig und aufrecht erklärte, er habe alles
über die Judenverfolgungen und Einweisungen
in KZ-Lager gewußt. Es habe ihn jedoch nicht
erschüttert, da „Juden keine Deutschen" seien!
Die Konzentrationslager aber hätten nur als
„Besserungsanstalt für Andersdenkende" ge-
dient. Erschüttert von so viel männiglichem Be-
kennermut sprach ihn das Gericht „mangels an
Beweisen" frei,

Reibt Euch die Augen! Wachet wieder auf,
denn das Neue kommt bereits! Ganz von innen
heraus bricht es sich Bahn. Bedenket, daß die
Denazifizierung fest in deutschen Händen liegt,

in gläubigen deutschen Händen. Beruft Euch
unverdrossen darauf, daß das Befreiungsgesetz ja
nicht aus diesen Händen kommt. Barmherzigkeit
geht vor Recht! Mögen die Reste eines deutschen
Rechtsempfindens darüber zur Hölle fahren!
Doch möchte ich nicht schließen, ohne ein er-
mahnendes Wort an Euch, die politisch Ver-
folgten, Ihr standet beiseite, als einst der Glaube
an die Vorsehung die deutschen Herzen ent-
flammte, weil Euch der böse Verstand den Weg
zum Glauben versperrte, und nähmet um der
verdammten Vernunft wegen Unheil und Bitter-
nis auf Euch. Aber reibt auch Ihr Euch die
Augen! VOX POPULI, VOX DEI! Sogar in
Bayern haben sich bereits zahlreiche Gemeinden
einen Nazi zum Bürgermeister gewählt. Wollt Ihr
denn wieder abseits stehen und Euer Herz ver-
schließen? Seid Untertan der Obrigkeit oder —
je nach Konfession — „Wir müssen auch den
Vorgesetzten gehorchen, weil ihre Gewalt von
Gott kommt", wie es in dem von den baye-
rischen Bischöfen herausgegebenen „Katholischen
Religionsbüchlein für die Grundschule" heißt!
Freilich, wenn Ihr alle Kommunisten wäret oder
doch wenigstens sogenannte „Elemente", welcher
Prediger würde heute seine Worte an Euch ver-
schwenden? Aber unter Euch wandeln manche
Rechte, Rechtgläubige und Barmherzige, die den
Ruf der Konfessionen rechtzeitig vernahmen und'
nun schweigen. Sie sind der Volksseele noch
nie,ht verloren. Jene aber, die dennoch geneigt
scheinen, wider den Stachel zu löken, gebe ich
das Wort Matthäi 5, 39 zu bedenken: „Ich aber
sage Euch, daß Ihr nicht widerstreben sollt dem
Uebel, sondern so Dir jemand einen Streich gibt
auf Deinen rechten Backen, dem biete den an-
deren auch dar."

Liebe Freunde, gehet in Euch, solange die Stunde
der Demokratie noch währet! Seid ein einig Volk
von Bayern, Schwaben, Westfalen, Badensern
oder Hannoveranern, seid barmherzig gegen Euch
selbst und Ihr werdet das Abendland retten!
Soeben bricht aus Eurem Inneren eine Welle der
Humanität neu und gewaltig wie die Atom-
bombe. Mißtraut Euren Politikern, aber glaubt
Euren Geistlichen und Euren Dichtern, glaubt
Herrn Fritz von Unruh, „daß Ihr begnadet seid",
auch wenn er selbst darüber in Ohnmacht fiel!

DER SIMPL

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"O mei - dös is halt koa Leberkaas!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "O mei - dös is halt koa Leberkaas!"
Kommentar
Signatur: HEHU

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Huth, Helmuth
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Der Simpl, 3.1948, Nr. 11, S. 123.

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