solange der NichtUnterzeichnete hier ein (Ast)-
Loch in die Ge-Fahrkarte der Zeit knipst — noch
niflaals war die allgemeine Aussicht besser und das
Schauspiel draußen spannender als in diesen
Wochen.
Es könnte nun vermessen erscheinen, die ernsten
und für uns so entscheidenden Vorgänge in ironi-
scher Art oder gar mit dem Hühnerauge am
Pferdefuß des Satyrs zu betrachten. Dennoch
glaubt der Astologe, daß ihm jener fröhliche Spott
zugebilligt werden könnte, der in der verästelten
und durchlöcherten Charta der ewigen Optimisten
eine der vier Narrenfreiheiten darstellt. Ermutigt
wird tr hierzu durch die Nachricht, daß der fran-
zösische Deutschlandsachverständige Alexandre
Parodi heißt. Parodieren wir also;
Das Urteil des (Außenministerrates von) Paris
ist noch nicht gesprochen. Beim Auslassen der so
wichtigen Räume zwischen den Zeilen dieser Ab-
handlung war er noch nicht einmal zusammen-
getreten, der Rat, — so daß lediglich die Vor-
geschichte einer schmunzelnden Betrachtung unter-
zogen werden kann. Nun, hier war dem klein-
deutschen Beobachter von vornherein klar, daß die
Verhandlungen von Erfolg gekrönt sein mußten,
denn Herr MALIK hatte sich etwas umgestellt,
und wie jeder bessere Rätselrater sofort merkt,
ergab dies ein günstiges KLIMA. Und nachdem
Mr. Jessup im wesentlichen Yes gesagt und sich be-
reit erklärt hatte, die Supp' auszulöffeln, die an-
dere eingebrockt hatten, konnte eigentlich nichts
mehr schief gehen. Der eiternde Vorhang wurde
ein wenig gelüftet und als frischer Wind kam die
mit Recht von Lincke stammende Berliner Luft
ins internationale Parkett. Nun wird sich Herr
Wyschinski von Schuman zu Mann überzeugen
müssen, daß alte Abmachungen nicht einfach wie
ein Wysch ins Kielwasser des Rettungsbootes ge-
worfen werden können, das die schiffbrüchigen
Europäer so sehnlich erwarten.
Die Außenminister der Westmächte sind sich be-
reits einig. Das war leicht, denn am Ende sitzen sie
alle drei auf den selben Buchstaben — nämlich
Singsang zur Lage
Vorüber ist der holde Mai,
nun kommt der Sommer bald.
Schafft Holz und Kohlen jetzt herbei,
denn langsam wird es kalt.
So gleichen sich die Zonen an:
Ein Volk, ein Frost, ein Reich!
Und im August da hab'n wir dann
den Einheiz-Sommer gleich.
In Bonn hat man geeinigt sich,
es war auch höchste Zeit.
Die Ce-De-Ka-Pe-De-Es-U
tat ihre Schuldigkeit.
Nur Bayern war dagegen als
kathol'scher Protestant;
zur „Hauptstadt der Dagegung" wird
drum München jetzt ernannt
Herr Thomas Mann, ein Dichterich
und emigrant'ger Greis,
kommt — wie man hört — nach Frankfurt jetzt
von wegen Goethe-Preis.
Doch 36 Stunden nur
läßt er sich bei uns sehn.
Die deutsche Weltliterat-Uhr
bleibt vor Erstaunen stehn.
In Ostreich ist man bös, daß sich
die Vier, die uns jetzt führ'n,
erst nach dem deutschen Hauptproblem
für Böstreich int'ressiern.
So spielt die Westmark ungewollt
der Ostmark einen Streich.
Die Ersten werd'n die Letzten sein!
Das kommt vom: Heim ins Reich. h. Hartwig
.A...V\«I^
4
dem „n" (Acheson, Bevin. Schuman). Wer hinten
soviel Gemeinsames hat, wird auch vorn schnell
einig, das ist eine alte Sache. Hoffentlich baut
Mr. Acheson (um im Malikbeispiel zu bleiben)
keine No-Achse in das Rad der Geschichte! Genug
der Verdrehungen und Wortspiele. Hier wie dort!
Laßt uns nun endlich Taten säen und laßt uns
endlich in Frieden (ernten). Der nichtamtliche
Vorschlag, alle Besatzungstruppen auf die Küste
zurückzuziehen, hat viel für sich. Küsten ist keine
Sünd'. Fremde Soldaten im Land sind immer
schlecht; am Strand könnten sie gut sein. Strand-
Gut sozusagen.
Wesentlich ist, daß West- und Ostdeutschland wie-
der zusammenkommen. Als Est-Deutschland mei-
netwegen. Eßt Deutschland, und ihr bleibt gesund.
(Exportwerbespruch!)
Hierzu gibt es jetzt nur ein Entweder-Oder. Da
wir Gegner der Oder-Linie bleiben, sind wir für
die Entweder-Lösung. Kurz: für die Endlösung.
Wer unsere Interessen in Paris am besten wahr-
nimmt, ist von hier aus nicht wahrzunehmen.
Irgendwer wird schon was nehmen, nicht wahr?
Wir aber nehmen uns vor, uns nie mehr vorzu-
nehmen, als im Grundgesetz verankert ist. Wir
wollten einst Früchte aus Nachbars Garten und
dürfen uns nun nicht wundern, wenn wir einge-
zäunt und isoliert am Astloch der Welt stehen und
nicht einmal mitreden dürfen, wenn um das Schick-
sal unseres Landes gewürfelt wird. Mit einem
blauen Auge können wir dabei niemals davonkom-
men, denn es sind vier Würfel, und so werden
uns mindestens vier Augen auch weiterhin scharf
auf die demokratösen Finger sehen.
Was ansonsten noch so vorging in den letzten vier-
zehn Tagen, ist ohne Belang. Für uns ist nur die
Vierer-Konferenz von Interesse. Die Vierer hab'n
immer recht! Vierer befehlt — wir tragen die
Folgen.
ES FING SO HARMLOS AN ...
Wenn eine Verfassung gemacht wird, wird gestrit-
ten. Wenn die Verfassung fertig ist, wird immer
noch gestritten. Darum braucht man zu jeder
Verfassung einen Verfassungsgerichtshof. In Bay-
ern gibt es ein Gesetz über den Verfassungs-
gerichtshof. Seit neuestem gibt es dazu ein Gesetz
zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungs-
gerichtshof. Dieses Gesetz zur Änderung des Ge-
setzes über den Verfassungsgerichtshof sieht vor,
daß der aus Landtagsabgeordneten und Berufs-
richtern zusammengesetzte Verfassungsgerichtshof
dann nur von Berufsrichtern ohne Landtagsabgeord-
neten zusammengesetzt ist, wenn einer der strei-
tenden Parteien der Landtag ist.
Soweit sehr vernünftig. Nun hat bedauerlicher-
weise der Senat entdeckt, daß es sich bei dem Ge-
setz zur Änderung des Gesetzes über den Verfas-
sungsgerichtshof um ein verfassungsänderndes Ge-
setz handelt. Dazu wäre aber, um einem Gesetz
dieses Charakters verfassungsmäßige Gesetzeskraft
zu geben, ein Volksentscheid notwendig. Der
Landtag teilt diese Ansicht nicht.
F. Meinhard
Was ist in diesem Fall zu tun? Der Senat weiß es:
er fragt den Verfassungsgerichtshof. Wozu ist er
schließlich da? Notwendigerweise ist aber nun eine
der beiden Parteien in diesem Streitfall der Land-
tag, der abstreitet, daß das Gesetz zur Änderung
des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof ein
verfassungsänderndes Gesetz ist. Es hat also dei
nach dem bereits gültigen Gesetz zur Änderung
des Gesetzes des Verfassungsgerichtshofes nur
aus Berufsrichtern zusammengesetzte Verfassungs-
gerichtshof darüber zu entscheiden, ob das Gesetz,
das ihn in dieser Zusammensetzung vorschreibt,
verfassungsändernd ist und einem Volksentscheid
unterliegt. Kommt er zu dem Ergebnis, daß es ver-
fassungsändernd ist, so hat also ein nicht verfas-
sungsgemäß zusammengesetzter Verfassungsgerichts-
hof darüber entschieden, daß er in dieser Zusam-
mensetzung keine verfassungsmäßig anzuerkennende
Entscheidung treffen kann. Diese Entscheidung kann
indessen nicht anerkannt werden, da der Verfassungs-
gerichtshof, der sie gefällt hat, nach der eigenen
Entscheidung dazu gar nicht berechtigt ist. m-
135
Loch in die Ge-Fahrkarte der Zeit knipst — noch
niflaals war die allgemeine Aussicht besser und das
Schauspiel draußen spannender als in diesen
Wochen.
Es könnte nun vermessen erscheinen, die ernsten
und für uns so entscheidenden Vorgänge in ironi-
scher Art oder gar mit dem Hühnerauge am
Pferdefuß des Satyrs zu betrachten. Dennoch
glaubt der Astologe, daß ihm jener fröhliche Spott
zugebilligt werden könnte, der in der verästelten
und durchlöcherten Charta der ewigen Optimisten
eine der vier Narrenfreiheiten darstellt. Ermutigt
wird tr hierzu durch die Nachricht, daß der fran-
zösische Deutschlandsachverständige Alexandre
Parodi heißt. Parodieren wir also;
Das Urteil des (Außenministerrates von) Paris
ist noch nicht gesprochen. Beim Auslassen der so
wichtigen Räume zwischen den Zeilen dieser Ab-
handlung war er noch nicht einmal zusammen-
getreten, der Rat, — so daß lediglich die Vor-
geschichte einer schmunzelnden Betrachtung unter-
zogen werden kann. Nun, hier war dem klein-
deutschen Beobachter von vornherein klar, daß die
Verhandlungen von Erfolg gekrönt sein mußten,
denn Herr MALIK hatte sich etwas umgestellt,
und wie jeder bessere Rätselrater sofort merkt,
ergab dies ein günstiges KLIMA. Und nachdem
Mr. Jessup im wesentlichen Yes gesagt und sich be-
reit erklärt hatte, die Supp' auszulöffeln, die an-
dere eingebrockt hatten, konnte eigentlich nichts
mehr schief gehen. Der eiternde Vorhang wurde
ein wenig gelüftet und als frischer Wind kam die
mit Recht von Lincke stammende Berliner Luft
ins internationale Parkett. Nun wird sich Herr
Wyschinski von Schuman zu Mann überzeugen
müssen, daß alte Abmachungen nicht einfach wie
ein Wysch ins Kielwasser des Rettungsbootes ge-
worfen werden können, das die schiffbrüchigen
Europäer so sehnlich erwarten.
Die Außenminister der Westmächte sind sich be-
reits einig. Das war leicht, denn am Ende sitzen sie
alle drei auf den selben Buchstaben — nämlich
Singsang zur Lage
Vorüber ist der holde Mai,
nun kommt der Sommer bald.
Schafft Holz und Kohlen jetzt herbei,
denn langsam wird es kalt.
So gleichen sich die Zonen an:
Ein Volk, ein Frost, ein Reich!
Und im August da hab'n wir dann
den Einheiz-Sommer gleich.
In Bonn hat man geeinigt sich,
es war auch höchste Zeit.
Die Ce-De-Ka-Pe-De-Es-U
tat ihre Schuldigkeit.
Nur Bayern war dagegen als
kathol'scher Protestant;
zur „Hauptstadt der Dagegung" wird
drum München jetzt ernannt
Herr Thomas Mann, ein Dichterich
und emigrant'ger Greis,
kommt — wie man hört — nach Frankfurt jetzt
von wegen Goethe-Preis.
Doch 36 Stunden nur
läßt er sich bei uns sehn.
Die deutsche Weltliterat-Uhr
bleibt vor Erstaunen stehn.
In Ostreich ist man bös, daß sich
die Vier, die uns jetzt führ'n,
erst nach dem deutschen Hauptproblem
für Böstreich int'ressiern.
So spielt die Westmark ungewollt
der Ostmark einen Streich.
Die Ersten werd'n die Letzten sein!
Das kommt vom: Heim ins Reich. h. Hartwig
.A...V\«I^
4
dem „n" (Acheson, Bevin. Schuman). Wer hinten
soviel Gemeinsames hat, wird auch vorn schnell
einig, das ist eine alte Sache. Hoffentlich baut
Mr. Acheson (um im Malikbeispiel zu bleiben)
keine No-Achse in das Rad der Geschichte! Genug
der Verdrehungen und Wortspiele. Hier wie dort!
Laßt uns nun endlich Taten säen und laßt uns
endlich in Frieden (ernten). Der nichtamtliche
Vorschlag, alle Besatzungstruppen auf die Küste
zurückzuziehen, hat viel für sich. Küsten ist keine
Sünd'. Fremde Soldaten im Land sind immer
schlecht; am Strand könnten sie gut sein. Strand-
Gut sozusagen.
Wesentlich ist, daß West- und Ostdeutschland wie-
der zusammenkommen. Als Est-Deutschland mei-
netwegen. Eßt Deutschland, und ihr bleibt gesund.
(Exportwerbespruch!)
Hierzu gibt es jetzt nur ein Entweder-Oder. Da
wir Gegner der Oder-Linie bleiben, sind wir für
die Entweder-Lösung. Kurz: für die Endlösung.
Wer unsere Interessen in Paris am besten wahr-
nimmt, ist von hier aus nicht wahrzunehmen.
Irgendwer wird schon was nehmen, nicht wahr?
Wir aber nehmen uns vor, uns nie mehr vorzu-
nehmen, als im Grundgesetz verankert ist. Wir
wollten einst Früchte aus Nachbars Garten und
dürfen uns nun nicht wundern, wenn wir einge-
zäunt und isoliert am Astloch der Welt stehen und
nicht einmal mitreden dürfen, wenn um das Schick-
sal unseres Landes gewürfelt wird. Mit einem
blauen Auge können wir dabei niemals davonkom-
men, denn es sind vier Würfel, und so werden
uns mindestens vier Augen auch weiterhin scharf
auf die demokratösen Finger sehen.
Was ansonsten noch so vorging in den letzten vier-
zehn Tagen, ist ohne Belang. Für uns ist nur die
Vierer-Konferenz von Interesse. Die Vierer hab'n
immer recht! Vierer befehlt — wir tragen die
Folgen.
ES FING SO HARMLOS AN ...
Wenn eine Verfassung gemacht wird, wird gestrit-
ten. Wenn die Verfassung fertig ist, wird immer
noch gestritten. Darum braucht man zu jeder
Verfassung einen Verfassungsgerichtshof. In Bay-
ern gibt es ein Gesetz über den Verfassungs-
gerichtshof. Seit neuestem gibt es dazu ein Gesetz
zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungs-
gerichtshof. Dieses Gesetz zur Änderung des Ge-
setzes über den Verfassungsgerichtshof sieht vor,
daß der aus Landtagsabgeordneten und Berufs-
richtern zusammengesetzte Verfassungsgerichtshof
dann nur von Berufsrichtern ohne Landtagsabgeord-
neten zusammengesetzt ist, wenn einer der strei-
tenden Parteien der Landtag ist.
Soweit sehr vernünftig. Nun hat bedauerlicher-
weise der Senat entdeckt, daß es sich bei dem Ge-
setz zur Änderung des Gesetzes über den Verfas-
sungsgerichtshof um ein verfassungsänderndes Ge-
setz handelt. Dazu wäre aber, um einem Gesetz
dieses Charakters verfassungsmäßige Gesetzeskraft
zu geben, ein Volksentscheid notwendig. Der
Landtag teilt diese Ansicht nicht.
F. Meinhard
Was ist in diesem Fall zu tun? Der Senat weiß es:
er fragt den Verfassungsgerichtshof. Wozu ist er
schließlich da? Notwendigerweise ist aber nun eine
der beiden Parteien in diesem Streitfall der Land-
tag, der abstreitet, daß das Gesetz zur Änderung
des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof ein
verfassungsänderndes Gesetz ist. Es hat also dei
nach dem bereits gültigen Gesetz zur Änderung
des Gesetzes des Verfassungsgerichtshofes nur
aus Berufsrichtern zusammengesetzte Verfassungs-
gerichtshof darüber zu entscheiden, ob das Gesetz,
das ihn in dieser Zusammensetzung vorschreibt,
verfassungsändernd ist und einem Volksentscheid
unterliegt. Kommt er zu dem Ergebnis, daß es ver-
fassungsändernd ist, so hat also ein nicht verfas-
sungsgemäß zusammengesetzter Verfassungsgerichts-
hof darüber entschieden, daß er in dieser Zusam-
mensetzung keine verfassungsmäßig anzuerkennende
Entscheidung treffen kann. Diese Entscheidung kann
indessen nicht anerkannt werden, da der Verfassungs-
gerichtshof, der sie gefällt hat, nach der eigenen
Entscheidung dazu gar nicht berechtigt ist. m-
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Am Astloch"; "Ein Glück"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Ein Glück, daß du nichts von Politik verstehst. Zur Weiterleitung der Importeier langt es."
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 12, S. 135.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg