Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik (4.1949)

UBERANGEBOT AN LYRIK

VON G. W. BORTH

Überangebot an Lyrik
herrscht in jeder Redaktion.
Dichter dichten steil und schwierig.
Der Papierkorb kotzt sich schon.

Himmelstürmende Talente
tanken Sturm- und Drang-Benzin,
und die Post bringt die Präsente
aus Feldmoching und Berlin.

Teils mit Liebe, teils politisch
sind die Reime angehaucht.
Mancher Versfuß hinkt rachitisch,
den der Autor sich verstaucht.

Wo man hintritt Manuskripte,
das geht so in einem fort,
handgeschriebne und getippte,
sogar am gewissen Ort.

Wieviel Fleiß wird so zunichte,
wieviel Müh' bleibt ohne Lohn!
Denn kein Mensch liest noch Gedichte.
Wer liest z. B. dieses schon?

Fr. Bilek

Ein Grundgesetz mit Kompromissen ist ein sanftes Ruhekissen

SCHICKSALSBAROMETER MAI-JUNI

Am 21. Mai sind wir aus dem Zeichen des Stieres in das der Zwillinge über-
getreten. Erst am 22. Juni wird diese Gestirnskonstellation wiederum von der
Regentschaft des Krebses abgelöst werden.

Die starken Spannungen des Monats treffen in ihrem Auf und Ab das fein-
organisierte Innenleben des Sensitiven aufs empfindlichste. Während
Schweinefleisch infolge unvorhergesehenen Kartoffelüberschusses, der zum
Füttern verwendet werden kann, wohlfeiler wird, zeigen die Eier eine
deutlich wahrnehmbare Neigung, nach oben zu gehen. D* s zähflüssige Tem-
perament sieht sich einer rasch wechselnden, oft elektrisch geladenen Atmo-
sphäre gegenüber und die Wechselfälle des äußeren Seins haben fast zuviel
Brio. Marmelade, die noch im Tierkreisbilde des Widders „ohne" zu haben
war, wird nur mehr gegen Braunzuckermarken abgegeben. Trotz mannig-
facher Erlebnisse bleiben die Reaktionen im Guten wie im Bösen gedämpft.
Dies gilt vor allem für Geburtstagskinder bis zum 11. Juni. Wer vor diesem
Tag das Licht der Welt erblickte, ist etwas älter als die später Geborenen,
doch können glückliche Zufälle und Begegnungen das Astralgewicht dieses
Unterschiedes wieder ausgleichen.

Urlaubsfreuden beginnen den Zwillingen zu winken, welche eine feste Stel-
lung innehaben, doch dürfte die Unents:hlossenheit des introvertierten Typs
in vielen Fällen dazu führen, daß Reisekosten eingespart weiden. Werweniger
hat, als er begehrt, muß wissen, daß er mehr hat, als er wert ist.
Den um den 25. Mai herum Geborenen kann man, sofern sie bereits ver-
heiratet sind, ruhig zu einem Gang aufs Standesamt raten. Was auch immer
sie dort zu erledigen haben, die Entscheidungen werden ohne schmerzliche
Nachwirkung für ihie Gesundheit bleiben, wennschon sie bisweilen der
Reflexion einiges aufzubürden geeignet sind. Erbschaften, die Zwillingen
zwischen dem 12. und 15. Juni zufallen, sollten angenommen werden, wenn
die Erbschaftssteuer nicht höher ist, als der Wert des zu erwartenden Nach-
lasses. Gewinne im Fußball-Toto, wie überhaupt Geldgeschenke aller Art,
darf der Zwilling nicht abweisen.

Der Zwilling schätzt in der Liebe die verfeinerte Erotik. Er liebt die ge-
schliffene Unterhaltung und nächstes Jahr, um diese Zeit, wird sich sein

Alter im Vergleiche zu heuer um genau zwölf Monate erhöht haben, — es
sei denn, daß er vorher das Zeitliche segne.

Zur Ausübung der verschiedenartigsten Berufe sind die besten Vo"aus-
setzungen gegeben. Die unerhörte Auffassungsgabe, ■ die jede Piofitmöglich-
keit schnell erkennen läßt, ist des Zwillings Kapital. Darin, — wie überhaupt
in jeder anderen Beziehung auch, — unterscheidet er sich um keinen Deut von
seinen Mitmenschen. Da aber die ganze Horoskoplerei, die vielen Freiheit
und Brot gewährt, nicht gedeihen könnte, wenn man sie auf den Satz redu-
zieren wollte „Wer Glück hat, hat Glück", sei noch erwähnt, daß dem Zwil-
ling sein Leibgericht am besten schmeckt, daß der Appetit im allgemeinen gut
ist, daß es ihn jedoch bei der Arbeit hin und wieder in der Seite sticht. Es
passiert ihm im großen und ganzen all das, was andeien Menschen passiert,
nur ist es ihm zu empfehlen, sein Dasein in einem ganz speziellen Zwillings-
licht — um nicht zu sagen Zwielicht — zu betrachten. Denn, wollte er dies
unterlassen, würde er sich am Ende gar nicht mehr interessant genug vor-
kommen und wüßte nicht, womit er sich in seiner Freizeit beschäftigen soll.
Glücksteine: Schwarzer Diamant (Anthrazit) und Ziegelstein. Der Zwilling,
dem es gelingt, nennenswerte Quantitäten dieser Mineralien im Jahre 1949/50
in seinen Besitz zu bringen, darf mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß es
ihm gut geht.

Glückszahl: Null—Strich—Null (°/o) und ein Vielfaches davon.
Zugehörige Farben: Weißblau, Schwarz und Braun, sowie ein undefinierbares
Gemengsei hievon. W. F. K.

SAN AT ORIUM

MAN LEGT DAS BUCH MIT GRIMMEM RUCK BEISEITE:
MUSS ICH DENN WISSEN, WAS HERR X SICH DENKT?!
BEKÜMMERT IHN DENN, WAS MEIN HERZE KRÄNKT?
UND „BILDUNG" —? ACH, DAS IST NUN EINE PLEITE!

DAS GEHT NUN — JA, WIE VIELE WOCHEN LANG?
MAN LIEGT, MAN ISST, MAN SCHLÄFT, MAN STARRT INS GRÜNE.
DIE ZEIT VERSCHWIMMT. MAN IST NUR NOCH MASCHINE;
DER CHEFARZT REGELT WEISE IHREN GANG.

DAS THERMOMETER, RICHTIG! ZEIT ZUM MESSEN;
ZWOSTÜNDLICH PRÜFT MAN SEINE INN'RE HITZE.
DER NACHBAR LINKS ERZÄHLT BEKANNTE WITZE.
DER TAG VERGEHT: SCHON WIEDER ZEIT ZUM ESSEN.

MAN RAFFT SICH AUF, — MAN SCHÄLT SICH AUS DEN DECKEN.
MAN SITZT AM TISCH. MAN NÄHRT SICH, WIE MAN KANN.
NOCH EIN PAAR LÖFFEL REISBREI, — DRAUF UND DRAN!
ES WÄCHST DER MENSCH MIT SEINEN HÖHERN ZWECKEN!

— ZURÜCK ZUM LIEGEHAUS IM KÜHLEN TANN.
DU STARRST INS GRÜNE. SIEHST DIE MÜCKEN WIMMELN.
DER LEIB VERFAULT. DER GEIST FÄNGT AN ZU SCHIMMELN.
DU MERKST ES KAUM; DIE KUR SCHLÄGT LANGSAM AN.

A. S.

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