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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0181
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notwendigen Bücher zu sorgen. ..... Wir hegen die Ab-
sicht, die Halle N. in der Universität Oxford zu grün-
den und zu dotieren, welche zahlreiche Schüler beher-
bergen soll. Diese Halle soll mit den Juwelen unserer Bi-
bliothek bereichert werden, sodaß die Bücher nicht bloß die-
sen Studenten, sondern allen Studierenden Oxfords auf ewige
Zeiten gehören. Zu diesem Zwecke haben wir in aufrichtiger
Liebe zur Wissenschaft und aus Eifer für den wahren Glauben
überall Handschriften gekauft oder abschreiben lassen, ohne
auf die Kosten zu sehen, zum großen Erstaunen der Geizhälse."
Diese Stiftung scheint die Lieblingsidee seiner letzten Lebens-
jahre gewesen zu sein; er besprach sie eifrig mit seinen freun-
den und füllte die Lücken in seiner Sammlung aus, damit
nichts fehle, was einer öffentlichen Bibliothek nötig ist. So
legte er Glossarien an und kaufte eine hebräische und eine
griechische Grammatik, da er diesen beiden Sprachen eine
große Wichtigkeit beilegte. Denn ohne Griechisch versteht man
nicht die lateinischen Schriftsteller, und das Hebräische ist
zum Studium der heiligen Schrift notwendig. Nur die Ju-
risprudenz und die Geologie schloß er aus, weil sie weder zu
den Künsten, noch zu den Wissenschaften gehören, und „erstere
nur ein notwendiges Uebel wie die Arzneien ist." Er verfaßte
Statuten für die Einrichtung und Leitung der Bibliothek, welche
zu den ältesten und merkwürdigsten Verordnungen dieser Art
gehören, und veröffentlichte sein Philobiblon, das sein literari-
sches Testament ist und den Zweck seiner Stiftung erklärt. „Wir
haben dieses Büchlein herausgegeben, um den Zeitgenossen und
den Nachkommen unsere Absicht zu zeigen und die bösen
Mäuler der Schwätzer, soweit es uns betrifft, auf immer zu
schließen." Mit Entzücken sah er im Geiste bis in die fernsten
Zeiten seine Bibliothek in einem schönen Saale sorgsam aufbe-
wahrt, und sich selbst einen Wohlthäter der Menschheit von den
spätesten Geschlechtern in frommen Gebeten der Fürbitte der
Heiligen empfohlen. Aber auch manche Wolke mag dabei seine
Stirne umdüstert haben, wenn er die Gefahren überdachte,
welchen seine geliebten Bücher beim öffentlichen Gebrauch
ausgesetzt würden, und eines der ergötzlichsten Kapitel des Phi-
sobiblon ist der Abschnitt, in welchem er den Studenten Rat-
schläge für den Umgang mit Büchern giebt. „Vor allem soll man
sie behutsam öffnen und schließen, denn ein Buch muß sorg-
fältiger behandelt werden als ein Schuh. Es giebt Schüler,
welche die Bücher verunreinigen (oh hätte man ihnen doch
statt einer Handschrift eine Schusterschürze vorgelegtl) —
Stellen, die ihnen gefallen, bezeichnen sie mit schmutzigem
Nagel; sie verwenden Strohhalme als Lesezeichen, sie scheuen
sich nicht, auf einem offenen Buche Obst und Käse zu essen
und ihren Becher achtlos darüber zu bewegen, und wenn sie
ihre Tasche nicht bei der Hand haben, lassen sie die Reste
 
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