Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0192
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
167

kommen, da ihm keine englsiche schwarz genug war. Daß
er sie nach alter Weise mit der Hand auftragen ließ und mit
Handpressen arbeitete, braucht kaum ausdrücklich gesagt zu
werden. ,
So wurde im Jahre 1891 die „Keimscott Presse" in Ham-
mersmith eingerichtet. Am 31. Januar wurde die erste Ko-
lumne gesetzt, und am 4. April verließ das erste Buch die
Presse: „The story of the glittering plain by William Morris,"
in 200 Exemplaren gedruckt. Es war ein Buch ohne Verzie-
rungen, aber in seiner Einfachheit ein vollendetes Kunstwerk.
Im September folgten „Poems by the way by William Morris",
rot und schwarz in 300 Exemplaren gedruckt, mit Randverzie-
rungen. Seitdem zierte William Morris alle seine Drucke mit
Initialen und Bordüren in Holzschnitt, und vielfach wurden
sie mit Bildern nach Handzeichnungen von Burne-Jones ge-
schmückt. Von 1891 bis 1896 hat die Keimscott Presse fünf-
undvierzig Drucke veröffentlicht, für welche alle Ornamente
von Morris selbst gezeichnet wurden.
In diesen Verzierungen kann mann zwei getrennte Gruppen
unterscheiden. Die eine umfaßt schlanke Rankenornamente in
Umrißzeichnung, welche sich um zwei Ränder der Seiten win-
den; sie sind stark beeinflußt von ähnlichen Leisten, die in
frühen süddeutschen Drucken Vorkommen. Zur zweiten Gruppe
gehören ganze Umrahmungen auf schwarzem Grunde, in wel-
welchen Morris durchaus selbständig vorging; die Motive sind
ebenfalls der Pflanzenwelt entnommen, Rosen, Akanthusblätter,
Reben und Trauben umschließen die Seiten in schwungvollen
Windungen. Die Initialen im Texte passen sich diesen Bordüren
an. Ganz eigentümlich sind die Titelblätter, auf welchen sich
die Schrift von einem Blumenornamente abhebt, das von einer
kräftigen Umrahmung umgeben ist.
Den Höhepunkt der Keimscott Presse bezeichnet der große
Chaucer, an welchem Morris anderthalb Jahre, vom Oktober
1894 bis zum Mai 1896, arbeitete. Das Buch wurde in 438
Exemplaren gedruckt, die sämtlich subskribiert wurden, so-
daß es schon bei seinem Erscheinen zu den seltenen Büchern
gehörte. Wie in keinem andern Drucke von Morris ist in
diesem Folianten eine wunderbare Harmonie zwischen Typen-
druck und Illustration erzielt. An die Bilder von Burne-Jones
mit den gotisch langgestreckten Gestalten schmiegen sich die
Randleisten von William Morris und bilden mit der schönen
gotischen Type, die sie umrahmen, so vollständig ein Ganzes,
daß man vergißt, ein gedrucktes Blatt mit Bleilettern und Holz-
stöcken vor sich zu haben, und nur den Eindruck eines ein-
heitlichen Kunstwerkes aus einem Gusse empfängt.
Das Aufsehen, welches die ersten Drucke der Keimscott
Presse machten, ist noch nicht vergessen. Die vornehmen Quar-
tanten in den weichen, biegsamen Pergamenteinbänden, mit
 
Annotationen