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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0193
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168

This is the Golden type.
Uhis ie the Groy type.
Chis the Chaucer type.

dem tiefschwarzen Drucke und den ungewohnten Verzierungen
auf starkem und doch zartem Papier bildeten das Entzücken
aller Bücherfreunde. Besonders der Chaucer wurde bei sei-
nem Erscheinen von der englischen Presse als „das vornehmste
Buch, das je gedruckt worden", als „das Ideal des modernen
Buches" gepriesen, und mit diesem Urteile stimmte bei uns
auch R. Muther überein, der von William Morris rühmt, er
habe „das moderne Buch geschaffen zu einer Zeit, als man
anderwärts noch durchaus an der Nachahmung der alten Vor-
bilder festhielt".*) Dieser Ausspruch dürfte jedoch nicht ganz
zutreffend sein. Für Bücher von „gotischer Denkart", für die
„Goldene Legende", für „Chaucer", für die Werke von William
Morris, sind sie ein passendes Gewand, aber mit Recht ist da-
rauf hingewiesen worden, daß bei Shakespeare in dieser Aus-
stattung der Widerspruch zwischen Geist und Form uns stört;
eine „moderne" Dichtung von der Keimscott Presse gedruckt,
wirkt wie ein Anachronismus. Deshalb kann der „Chaucer"
wenn er auch das Meisterwerk der Typographie unserer Zeit
ist, nicht das typische Buch des XIX. Jahrhunderts werden,
wie etwa der „Poliphilo" das Buch der italienischen Renais-
sance, der „Theuerdank" unser Buch des XVI. Jahrhunderts,
die „Baisers* von Dorat das Buch Frankreichs im vorigen
Jahrhundert sind; Chaucer ist das typische Buch von Wil-
liam Morris, oder wenn man den Begriff erweitern will, das
typische Buch des englischen Praeraphaelismus, nicht das mo-
derne Buch im eigentlichen Sinne. Aber die Grundsätze, nach
welchen er gedruckt worden, zeigen uns, wie wir arbeiten
müssen, nicht um das moderne Buch zu schaffen — dies ist
ein leeres Wort — aber um Bücher zu schaffen, die jetzt und
dauernd Kunstwerke sind. Diese Grundsätze sind so logisch,
daß sie banal klingen, und doch wird es nicht überflüssig sein,
sie hier zu wiederholen in den schlichten, einfachen Worten,
in welchen William Morris sie einmal vorgetragen.
„Das Aeußere eines Buches*', sagt er,s) „wird notwendig
durch den Inhalt bestimmt. Ein Werk über Differentialrech-
nung, ein medizinisches Werk, ein Wörterbuch, eine Sammlung
von Parlamentsreden oder eine Abhandlung über Dünger wer-
i) R. Muther, Geschichte der Malerei 111 506.
-) H. P. Home, W. Morris as a printer (Saturday Review 1896, p. 439).
J W. Morris. The ideal book (Transactions of the bibliogr. Society 1893).
 
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