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Das Nachleben der Antike iin Mittelalter.

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Aufmerksam, um zunächst das Beispiel des Architekteu fest-
zuhalteu, lauscht der Baumeister des 11. uud 12. Jahrhuuderts,
uachdem er die Forderuugen der Zweckmäszigkeit befriedigt hat
uud au das Ziereu uud Schmücken seiues Werkes geht, auf die
Vorgüuge bei den Alten. Wie die Flüchc des Baues zu glie-
deru, die Säule durch eineu Fuß mit dem Boden zu verbinden,
oben durch ein Kapitäl zu krönen sei, welche Profile und Linien
ein Gesims am krästigsten von der Wand abheben, mit welcheu
Ornamenten das Ganze belebt werden könne, das Alles sucht
uud sindet er in der Antike vorgebildet. Es bleibt nicht aus,
daß sich anch im frühen Mittelalter, wie in jeder jugendstarken
Zeit Ansätze zu eiuem selbstäudigen Vorgehen, zu einem nn-
abhüngigen Bilden uud Formen zeigen. Das Mittelalter er-
sinnt ein eigenes Kapitäl, das sogenannte Würfelkapitäl, welches,
nebenbei gesagt, nicht einem rohen Holzmodell den Ursprung
verdankt, sondern aus küustlerischer Berechnung, ans dem Streben,
Säule und Bogen zu vermitteln, hervorgegangen ist. Es benutzt
die Raute, das Zickzack, die schachbrettartige Verschiebnng vvn
Vierecken, den Halbkreis u. s. w. als Ornament. Jn dem Augen-
blicke jedoch, in welchem der mittelalterliche Architekt nntike
Muster kennen lernt, verzichtet er regelmäßig anf weitere Proben
seines erfinderischen Sinnes und eifert unumwnnden den alten
Vorbildern nach.

Die Mchrzaht der mittelalterlichen Banschulen macht fol-
gende Entwickelungsstufen durch. Mit dem zufälligen Aufgreifen
und Nachahmen einzelner Elemente der römischen Architektnr
beginnt die künstlerische Regsamkeit anch diesseits der Alpen;
es folgt dann eine Periode verhältnißmäßiger Selbständigkeit,
in welcher über dem Ringen und Kämpsen, den technischen Auf-
gaben gerecht zu werden, das Streben nach zierlichen Formen
nnd damit anch die Beziehnng zur Antike zurücktritt, aber nnr
um in dem nächsten Menschenalter mit verdoppelter Kraft und
besserem Verstündnisse wieder vorzubrechen. Während die Zeiten,
wetche an die karolingische Periode anstreifen, überall die 11n-
fühigkeit verrathen, sich von den römischen Traditivnen loszu-
sagen, aber gleichsam nur mürrisch und widerwillig den Fuß-
tapsen der acken Welteroberer folgen, ermannt sich das eilfte
Jahrhundcrt, besonders in seiner zweiten Hülfte zu einer größeren
Originalität und wagt, unbeirrt von aller Ueberlieferung auf
 
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