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Springer, Anton
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 1): Das Altertum — Leipzig, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.27217#0026
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L.. Der Orient. 1. Aegypten.

kommene Fügung und Politnr der Steitiblöcke im Jnneren beweisen nm besten, wie hoch schon
dreitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung die technische Bildung der Aegypter gestiegen war.

Vereinzelt kommt auch eine Phramide von verschiedenem Neigungswinkel der unteren und
oberen Bekleidungsflächen (die Knickpyramide von Daschur) und eine Stufenpyramide (bei Sakkarah)
vor. Typisch bleibt doch nur die Form der Pyramiden von Giseh, sie wiederholt sich in allen
Größen und ist die gleiche an der riesigen, beinahe die Höhe des Straßburger Münsterturmes
erreichendeu Cheopspyramide, wie an den tragbaren Zwergpyramiden, die so häufig in ägypti-
schen Gräbern gefunden werden.

Von den Pyramiden, über deren Zweck nicht so abenteuerliche Mcinungen wären verbreitet
worden, wenu sich die ihnen regelmäßig vorliegenden Kapellen, Sammelplätze fnr die betenden
und opfernden Angehörigen des Verstorbenen, erhalten hättcn, unterscheiden sich die Privat-
gräber von Memphis wohl dnrch die äußere Gestalt, nicht durch die Anordnung der inneren
Räume. Die Privatgräber, mit einem arabischen Worte Mastaba genannt, bilden einen niedrigen
rechteckigen Ziegel- oder Steinbau mit schrägen Außemnauern, den oben eine Plattform abschließt.

Fig. 15. Mastaba nuf dem Grabfelde von Memphis. (Cyipiez).

Das Jnnere birgt zunächst, der Pyramidenkapelle entsprechend, ein helles, dem Verkehre der nach-
gelasseneu Faniilie mit dem Verstorbcnen dienendes Geniach, sodann außereinem vermauerten nischen-
artigen Raume (Serdab) einen engen Schacht, den versteckten Zugang zu dem Grabe, wo der Tote
in unzerstörbarem Sarkophage ruht. Mangelt auch den Mastabas (Fig. 15) architektonische Bedeu-
tung, so hat dagegen dcr plastische Schmuck an den Wänden im Jnnern einen großen Wert.
Das ganze Leben des Verstorbenen zieht in diesen Reliefs an unsern Augen vorüber. Wir sehen
ihn seinen Beschäftigungen nachgehen, wir beobachtcn seine Diener bei der Feldarbeit nnd lernen
seinen Besitzstand, die Herden anf den Wiesen, das Wild im Walde, die Fische in den Teichcn
kennen. So erfreut sich der abgeschiedene Körper noch an dem Scheine des Lebens. Jn flachem
Relief ausgeführt und gefärbt, überraschen diese Bilder durch die vollkommene Wahrheit der
Schilderung. Namentlich gilt dies von den Tierfiguren. Eine scharfe Beobachtung der Natur,
eine gute Kenntnis der Formen und Bewegungen, eine große technische Gewandtheit spricht aus
den Darstellungen. Noch unmittelbarer als diese Ikeliefs erscheinen die Rundfiguren (aus Holz,
Kalkstein) mit dem Totenkultus verknüpft. Sie waren keineswegs für vsfentliche Schaustellung
berechnet, sondern wnrden, sobald sie des Künstlers Hand vollendet, in die heimlichen Nischen
 
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