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Springer, Anton
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 1): Das Altertum — Leipzig, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.27217#0047
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Die assyrische Skulptur und Malerei.

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Auch freistehende Statuen sind selten. Als die schönste und wohl auch älteste, wenn man von
dem verstümmelten Bilde einer nackten Göttin (Mylitta-Zarpanit) aus dem 10. Jahrhundert
im britischcn Museum absieht, gilt eine Statue, die den König Assnrnazirpal darstellen soll,
jetzt im britischen Museum.

Die Skulptur wie die Malerei steht in Assyrien fast ausschließlich im unmittelbaren
Dienste der Architektur; sie bildet die Wandverkleidung. An den Portalen häufte sich be-
sonders reicher Schmuck. Ornamente, auf Ziegel gemalt und eingebrannt, umgaben die Thore
(Fig. 52); gewaltige geflügelte Gestalten, halb Mann, halb Stier, bewachten sie (Fig. 53);
symbolische Figuren, Priester, Löwenbändiger, gleichfalls von riesigen Verhältnissen, schmückten
die benachbarten Fassaden. Die
Außenmauern und besonders die
Wände im Jnnern der Kammern
wurden mit Platten von alabaster-
artigem Kalkstein belegt, auf wel-
chen Szenen des höfischen Lebens,
religiöse Zeremonien, Opfer, Kriege,

Jagden in flachem Relief geschildert
waren. Ueber den Reliefs zogen sich
in den Gemüchern noch Friese von
glasierten Thonplatten teils mit
figürlichen, teils mit ornamentalen
Darstellungen hin. Auch der Fuß-
boden war mit glasierten Thonplat-
ten belegt, deren farbiges Muster
(Fig. 5^-) durch die Regelmäßigkeit
und Symmetrie der Anordnung sich
auszeichnet. Unbedingtes Lob ver-
dienen die Tierbilder, die besonders
in der späteren Kunst von Knjund-
schik naturwahr und lebendig auf-
gefaßt erscheinen (Fig. 55.)

Bei den Darstellungen der
Männer (Frauen kommen fast nie
sHaremszene Fig. 56j vor) bemerken
wir dagegen erhebliche Schranken des
Kunstsinnes. Die Wahrheit des Ganzcn wird noch mehr als in Aegypten der Deutlichkeit des
Einzelnen geopfert oder, wie bei den Portalwächtern (Fig. 53), der architektonischen Anordnung
unterworsen. Jhr Leib füllt die Tiefe des Portales aus, mit Brust und Kopf treten sie aus
dem Thore heraus. Sie sind halb als Relief, halb als Rundbild behandelt und erscheinen gleich-
sam fünfbeinig, da auch die Seitenansicht alle vier Beine wiedergibt. An den Kolossalfiguren
der Fassaden finden wir wieder die Beine im Profil, Kopf und Brnst in voller Breite ge-
zeichnet (Fig. 57), an den Schlachtenbildern (Fig 60) werden alle Bewegungen vermieden,
durch welche die Körperflächen für das Auge zerschnitten würden. Ein anderes Hindernis freier
Kunstübung bildet das starre Zeremoniell, das sich namentlich auch in der Tracht wieder-
spiegelt. Der gekünstelte Haar- und Bartputz (Fig. 5K raubt den Köpfen Leben und Aus-
druck. Jn den Schildernngen des religiösen und höfischen Lebens erscheinen die Bewegungen
Springcr. Kiinstgeschichte. I. 5

Ug. 56. Festgclage des Königs Assurbanipal.
Aus Kujundschik. London, Brit. Museuni.
 
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