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Springer, Anton
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 1): Das Altertum — Leipzig, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.27217#0111
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Anfänge der griechischen Sknlptur.

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So wurde das Verständnis der reinen Kvrperforineii, der schönen plastischen Bewegungen erworben.
Ferner: nicht das Studium der Ilnatomic, wie in den neuercn Zeiten, sondern die lebendige
Anschanung der gymnastischen Uebungen lehrte dcn menschlichen Leib kennen und die Gesetze
seiner Thätigkeit begreifen. Daher stamnit die unmiltelbare, naiv scheinende Wahrheit der
griechischen Werke. Endlich mnß noch hervorgehoben werden, daß die griechischen Künstler die
feine Durchbildung und das langsame Ausreifenlassen einer mäßigen Zahl von Typen deren raschem
Wechsel nnd stetiger Vermehrung Vorzvgen und daß sie an dem Vvllendeten Typus nicht will-
kürlich änderten, sondern sich mit leichten Umwandlniigen begnügten. Selbst hervorragende Meister
hielten an bestimmten Maßen, Verhältnissen und Stellungen mit Vorliebe fest und verschafften
ihnen in ihren Schuleii ein gesetzliches Anschen. So allein wurden die absoluten Jdeale erreicht,
die in der plastischen Kunst der Griechen bewundert werden.

Fig. 161. Relief vom Harpyien Tenkmal zu A'anthos. Britisches Blusenin.

Vom 6. Jahrh. ab kann man die stetige Entwickelniig der hellenischen Plastik genauer
verfolgen. Die blühenden ionischen Küstenstädte und Jnseln boten bereits den Künstlern
reiche Beschäftigung. Die zu dem berühmten Apollotempel bei Milct führende Straße war
aus beiden Seiten mit liegenden Löwen und sitzenden Statuen (Mitgliedern der herrschenden
Familien, die das eigene Abbild dem Golte weihten) begrenzt (Fig. 160). Die acht erhaltenen
Marmorstatuen erinnern in der Haltung an chaldäische Skulpturen, ihre Aufstellnng bringt die
ögyptischen Sphinxalleen in Erinnerung. Doch spricht bei einzelnen aus der feinen
rlältelung des Untergewandes, dem Wnrse der Mäntel ein zarterer Sinn sür weiche, sast
zierliche Formen.

Anch die Neliefs am Architrave des Tempels von Assos (Fig. 157) offenbaren in dem Fisch-
gotte, den Löwenbildern, Sphinxen eine Abhängigkeit vom orientalischen Bilderkreise; ein neues
Element taucht aber in der lebensfrischen Zeichnnng der einzelnen Gestalten und in der besseren,
 
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