Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
92 L. Griechenlcmd. 3. Skulptur.

teils allgemeiner Art, teils müsscn sie in der besonderen Weise griechischer Kunstübung gesucht
Iverden. Himmel uud Erde, die Naturaulage, der Charakter der Landschaft, vielgegliedcrt, nach
außen offeu, auf die Seefahrt hinweisend, zu weitem Verkehr einladend, die mäßige Größe der
Einzelstaaten, die Teilnahme aller Bürger am politischen Leben weckend, die übersichtliche harmo-
nische Bildung fördernd, die Menschlichkeit der Götter — alles trug zur Entfaltuug uud Ver-
tiefung des Kunstsinues bei.

Die Entwickelung der griechischen Plastik hält mit der der Sprache, der Poesie und der Philo-
sophie gleichcu Schritt; uichts erklärt daher auch die Schicksale der ersteren so treffend wie die
Prüfung des Ganges, den die Sprache, der Staat, die Poesie und die Wissenschaft in Hellas
genommen habcn. Von den besonderen Umständen, die der Phantasie und der Hand der Künstler
die Gabe verliehen, mit vollendeter Wahrheit die Formen einer hohen idealen Schönheit unlös-

bar zu eiuigen, sind folgcude hcrvorzuheben. Die griechische Plastik hat nicht wie die ägyptische
dem Herrscherkultus sich widmcu müsscn, nicht zuerst in der Darstellung von Königsbildern ihre
Kraft versucht. Die ägyptische Plastik beganu mit Porträtstatuen, aus denen sich aber im Laufe
der Zeiten der lebendige und individuelle Zug verlor, so daß das Zeremonielle, Steife, Leblose,
Symbolische immer mehr überwog. Dic griechischc Kunst schlug einen andercu Weg ein. Sie
hob, sobald die selbständige nativnale Bildung sich regte, damit an, daß sie die einfach natür-
lichen und allgemein mcnschlichen Züge klar in das Auge faßte und zunächst Gattungstypen
schuf: nackte Männer, bald ruhig stehend mit vorgesetzteni linken Fuße und hängenden Armen, bald
müchtig ausschreitend mit lebhaft bewegten Armcn; sitzende Frauen in enganliegendem Gewaude, mit
karg angedeuteten Armen, oder stehende mit vorgestreckten Armen, die eincn Gegenstand oder einen
Gewandzipfel halten. Allmählich verlieh sie ihnen immer feiueres Leben und die scharfe Persönlichkeit.

Fig. 160. Staluen von einer Prozessionsstrnße bei Mitet. Britisches Mujeum.
 
Annotationen