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Ravenna.

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so verraten doch zahlreiche Züge die fortdauernde Herrschaft einer guten alten Knnsttradition.
Anklänge an die Antike osfenbaren die Bauten, die Gewänder, die Geberden der einzelnen
Gestalten; der antiken Kunst ist auch die Einstechtnng allegorischer Figuren zur Versinnlichung
innerer Vorgänge und Stimmungen, und die Beigabe von Personifikationen zur Verdeutlichung
der Oertlichkeiten entlehnt. Weder im technischen Versahren, noch in der kiinstlerischen Auffassung
Nnrd nnt der Ueberliefernng schroff gebrochen. Die altchristlichen Miniaturen, in Deckfarben
ausgeführt, gleichen Gemälden, verraten die Kenntnis antiker Wandbilder. Werden mehrere
Szenen auf einem Blatte zusammengefaßt, so erscheinen sie meistens so geordnet, daß sie formal
einen einheitlichen Eindruck machen, nicht auseinanderfalleu. Bemerkenswert ist die Schen vor
der Wiedergabe heftig bewegter Vorgänge, leidenschaftlicher Stimmungen. Die Phantasie des
klassischen Altertums hatte auf ihrer letzten Stufe die Richtung auf das Dekorative und Jdyllische
genommen. Es herrschte die Freude an einer glänzenden Ausstattung des äußeren Daseins, die
Sehnsucht nach einem behaglichen Stillleben. Beides erbte das altchristliche Zeitalter. Die
dekorative Richtung empfing in den ältesten Mosaiken, die idyllische in den Miniaturen, wie
insbesoccdere die Wiener Genesis zeigt, deutlichen Ausdruck.

3. Ravenna.

Neben Rom imd Konstantinopel tritt in der altchristlichen Zeit Ravenna in den Vordergrund.
Das sünfte Jahrhundert führte diesen alten Hasenplatz in die Reihe der Hauptstädte des Reiches
ein und ließ hier eine Kunstthätigkeit aufblühen, die noch im sechsten Jahrhundert sich lebendig
erwies. Als Residenz des Kaisers Honorius und seiner Schwester Galla Placidia (bis 450),
dann wieder als Sitz des Ostgotenkönigs Theodorich (seit 493) wurde Ravenna mit zahlreichen
Bauten: Basiliken, Taufkirchen, Grabkapellen und mit einem Palaste geschmückt. Leider hat das
Schicksal gerade den ältesten Werken übel mitgespielt. Von der Stiftung des Bischofs Nrsus (400),
dem jetzigen Dome, hat sich nur die nnzugängliche Krypta erhalten, von der Basilika des h.
Petrus (S. Francesco), welche 427—430 errichtet wurde, steht nur noch der Chor und zwölf
Säulenschäfte aus Marmor aufrecht; ein dürftiger Rest ist von Theodorichs weiträumigem
Palaste allein übrig geblieben. Die ravennatische Macht und Blüte währte nicht lange genug,
um einen selbständigen Kunststil zu schasfen, aber so schlechthin abhängig von Ostrom, wie man
gewöhnlich annincmt, war die ravennatische Kunst denn doch nicht. Jhre Bedentung ruht wesentlich
darauf, daß sie uns die in Fluß gekvmmene altchristliche Bildung deutlich vor die Augen führt,
Kreuzungen verschiedenartiger Einslüsse aufweist. Von den zwei Grabkirchen Ravennas ist die
ältere, die Grabkapelle der Galla Placidia, aus der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts in
der Form eines griechischen Kreuzes (mit gleichlangen Llrmen) gebildet; die vier Arme sind mit
Tonnengewölben gedeckt, der erhöhte Mittelraum mit einer Knppel überspannt. Das Grabmal
Theodorichs erinnert an die römischen Mausoleen. Ueber einem zehneckigen, aus Quadern
gefügten Unterbaue erhebt sich ein Oberstock, welcher etwas zurücktritt und anf diese Art Raum
zu einem äußeren Umgange giebt. Das Zehneck geht dann in einen Kreis über, auf welchem
die aus einem einzigen Riesenstein gehauene Knppel ruht. Auffällig wie diese gewaltsame
Kraftäußerung erscheint die große Roheit fast aller dekorativen Glieder. Sie gehen zwar bis
auf das Zangenornament auf antike Muster zurück, haben diese aber oft bis zur Unkenntlichkeit
umgestaltet. Wahrscheinlich trägt an dieser Verwilderung des ornamentalen Sinnes nur die
Hast der Ausführung die Schuld. Denn sowohl die noch von Theodorich erbaute Basilika
S. Apollinare nuovo (ursprünglich S. Martino in coelo anreo betitelt) wie die Kirchen des
Springer, Kunstgeschichte. II. 5
 
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