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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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I. Lieferung (März 1913)
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Malen, Gemälde und Gemäldekunde, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0016
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wie man etwa Geschichte der Maierei der ieichteren Übersicht wegen ge-
iegentiich losiöst von der Geschichte der Plastik, der Baukunst und von
anderem. Der Kundige weiß ja doch darum, daß in der Weit aiies Er-
denkliche irgendwie zusammenhängt und daß jedes Abgrenzen von Fächern
sofort den Tatsachen Gewait antut und Dinge zerschneidet, die in der
Wirkiichkeit engstens verbunden waren. Die Enge des menschlichen Be-
wußtseins zwingt bekanntlich zu dem Ausweg des Einteilens.
Vor etwa zwei Jahren habe ich in den seither verstorbenen Blättern
für Gemäldekunde (Bd. VH, Heft 1) skizziert, welche Verbindungen von
der Gemäldekunde zu anderen Wissenschaften hinüberreichen und von
jenen herüberleiten*), so zu den Naturwissenschaften, nicht nur im Sinne
der naturwissenschaftlichen Methodik, die der Gemäldekunde zukommt,
sondern auch im Sinne der Benützung von Einzelkenntnissen aus ver-
schiedenen Teilen der Naturwissenschaften durch die Gemäldekunde.
Anatomie, Physiologie, Systematik von Tieren, Pflanzen, Mineralien,
Chemie, Physik liefern für die Beurteilung von Gemälden ebenso ihre
Erfahrungen wie die mehr abstrakt gewordene Mathematik und Geometrie.
Die philosophischen Disziplinen sind ferner nicht zu umgehen, ein-
schließlich der Erkenntnistheorie und der Kunstpsychologie**), die
noch vielfach Ästhetik genannt wird.
Daß das Verständnis alter Gemälde mit den historischen Wissen-
schaften zusammenhängt, ist sicher, nicht zuletzt mit der Paläographie
und Epigraphik. Daß Bilderinschriften auch auf verschiedene Gebiete der
Philologie hinüberleiten, ist selbstverständlich. Zur Wirtschaftslehre
werden wir durch die Frage nach dem Wert und dem Preis von Gemälden
hingeführt. Die Gemäldekunde ihrerseits liefert dann z. B. das Verständnis
ungezählter Abbildungen, die den anderen Wissenschaften dienen, sie liefert
vieles Material, das den anderen Wissenschaften für eine Erweiterung des
Gesichtskreises zugute kommt.
Die Gemäldekunde bildet einen Zweig der allgemeinen Kunst-
wissenschaft, die wir doch recht scharf von der Kunstgeschichte
sondern wollen. Denn die allgemeine Kunstwissenschaft ist der Kunst-
geschichte übergeordnet, und die Kunstgeschichte ist eben auch ein Zweig
der allgemeinen Kunstwissenschaft.
*) Der Artikel hieß. "Die Gemäldekunde in ihren Beziehungen zu anderen
Wissenschaften' und wurde nachgedruckt in A. W. Keims »Technischen Mitteilungen
für Malerei', Jahrgang 28. Dort auch meine Ergänzungen (in Heft 9 desselben Jahr-
ganges). Eine nochmalige Zusammenfassung des Gegenstandes in »Die Werkstatt der
Kunst' vom 20. November 1911.
**) Über diese Angelegenheit bot ich mehreres im 1. Band der Blätter fiir Oe-
mäldekunde und in der Arbeit »Zur Kuustphilosophie*. (1910.)
 
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