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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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I. Lieferung (März 1913)
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Ein Venusbild von Pietro Liberi
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0019
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ihm che hohe und späte Renaissance geboten hatte, nicht zuletzt die weiche,
flockige Art des reifen Tizian. Der Tizianeske Padovanino war sein un-
mittelbarer Lehrmeister. Liberi war ein emsiger Schaffer und hat viele Auf-
träge für norditalienische Kirchen ausgeführt, zumal für viele Kirchen in
Venedig, und dort ist er auch für den Dogenpalast tätig gewesen. Wer
kennt nicht »Lo schiavo de! Liberi* auf dem großen Schiachtbilde in der
Sala dello scrutinio des Palazzo ducale! Großflächige Bilder von Liberi
befinden sich ferner z. B. in der Kirche San Pietro di Castello zu Venedig,
in San Moise und in San Giovanni e Paolo. Das Bild in der letztgenannten
Kirche ist eine Art Vision mit einem großen Christus am Kreuz, das von Sant'
Elena gestützt und von großen Engeln getragen wird. Vorne unten noch der
heilige Ludwig. Liberi knüpft hier noch an Tizians späte flockige Malweise an.
Zanetti (»Deila pittura veneziana« 1771) lobt daran die ^molta vaghezza
unita a gran forza« und läßt durchblicken, daß das Bild mit der Zeit nach-
gedunkelt hat und daß sich sein Lob auf die Zeit der noch guten Er-
haltung beziehe, »prima, che il tempo ne facesse crescere gli scurL, also
bevor die Schatten unverhältnismäßig dunkel geworden waren. Moschini, der
das Bild in seiner < Guida per la citä di Venezia« 1815 beschreibt, nennt es
eine »Opera grandiosa e nobile della prima maniera«. Das bezieht sich
auf Zanettis Aufstellung von drei Manieren des Pietro Liberi, von denen
die erste eine 'grandiosa e nobile« gewesen sei. Moschini übernimmt denselben
Ausdruck. Mehr schwülstig und unter allerlei anderen Einflüssen erfunden ist
das große Bild in San Pietro di Castello. Es stellt Moses und die Israeliten
bei der ehernen Schlange dar. Die Kreuzesfindung in San Moise hat durchs
Altern eine vornehme gleichmäßige Stimmung erhalten, die vielleicht dem
noch nassen Bilde nicht zukam. Auf alle Fälle müssen wir es uns farbiger
vorstellen, als es jetzt ist.*) Die zwei weiteren Manieren werden bei Zanetti
(1771) bezeichnet als eine freie, wenig durchgeführte Malerei, auf die Kenner
berechnet, und als eine feine, sorgsame, die denen gefiel, welche im Bilde
die Haare zählen wollen. Tür diese [kleineren] sorgsamer gemalten Stücke
benützte er gewöhnlich Zypressenholz von sorgfältiger Herrichtung (»per il
piü . . tavole di cipresso armate e preparate con somma cura«). So hat
Liberi Abnehmer aus den Kreisen der Kunstverständigen und der Laien
gewonnen und weithin Berühmtheit erlangt.
Im späten 19. Jahrhundert ist Liberi mit einer fast lächerlichen Ge-
ringschätzung behandelt worden, die freilich, so scheint es, nun überwunden
ist und einer gewissen Anerkennung Platz macht. Ich rechne auf Verständ-
nis, wenn ich eines der besten Venusbilder des Meisters in Abbildung
vorführe. Es gehörte 1911 Herrn k. k. Professor Josef Krusek in Prag

*) Diese und noch andere Werke linden sich oftmais erwähnt oder kurz be-
schrieben in der venezianischen Ortsliteratur von den Zeiten Boschinis bis herauf zu
Latenestres »Venise«, einschließlich der großen Guiden von Moschini und Zanotto.
Gualdo: Vita del Cav. Liberi (i818), Ant. Mar. Zanettis *Del!a pittura veneziana« (1771),
danach Lanzi, Fioriilo und Füßlis Lexikon und N. Pietrucci »Biografia degli artisti Pado-
vani« (1858) geben weitere Winke. Naglers Lexikon bringt nur abgeleitete Angaben.
Zur Wertschätzung des Meisters die neueren Handbücher für Geschichte der Malerei
Wenig beachtet ein apokalyptisches Bild in der Scuola di San Giovanni Evangelista. —
Fast sicher von Pietro Liberi ist ein Urteil des Paris, das ich vor Jahren bei Herrn
Dr. Heinr. Modern in Wien gesehen habe. - Eine Zusammenstellung der alten Stiche
nach Liberi in den Nachträgen zu Füßlis Lexikon.

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