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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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Frimmel, Theodor von: Die vier apokalyptischen Reiter in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0234
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218

DIE VIER APOKALYPTISCHEN REITER IN DER KUNST DES 19. UND
20. JAHRHUNDERTS.
Mit den vier apokalyptischen Reitern sind jederzeit die Visionen eines
Sehers Johannes gemeint, die im sechsten Buche der „Offenbarung" ge-
schildert werden. Welcher Johannes der Seher war, ist bisher trotz an-
erkennenswerten Bemühens nicht herausgebracht worden. Die prophetische
Deutung der vier Reiter hat viele Federn beschäftigt. Doch lassen uns heute
die angeblichen Vorhersagungen jüngster Ereignisse recht kühl, wie sehr wir
auch die bilderreiche Sprache der Apokalypse auf uns wirken lassen, mit
der uns schweres Unheil verschiedener Art eindringlich vor Augen geführt
wird, ln den Gesichten der Johanneischen Apokalypse stürzt und stürmt es
heran, unaufhaltbar, vernichtend. Sicher hat der Seher Johannes nicht unseren
heutigen Weltkrieg gemeint, aber die Schrecken des Krieges, die im Buche
der Offenbarung erscheinen, nicht zuletzt in den Visionen des VI. Kapitels,
passen so sehr zu den schaudererregenden Eindrücken aus jüngst ver-
gangener Zeit, daß ich an die bildlichen Darstellungen der vier Reiter aus
dem VI. Buch der Offenbarung gerade jetzt erinnern möchte. Das VI. Ka-
pitel der Apokalypse handelt von der Eröffnung des Buches mit den sieben
Siegeln durch das apokalyptische Lamm. Sogleich im ersten Vers werden
vier Tiere erwähnt. Bei der Eröffnung der ersten vier Siegel ertönt jedes-
mal mit Donnerstimme der Ruf: „Veni et vide", Komm und sieh! So ruft
zuerst das weiße Pferd. Auf diesem sitzt ein Mann mit dem Bogen. Eine
Krone ist ihm gegeben. Siegend zog er aus, um [weiter] zu siegen. Dann
erschallt der Ruf des zweiten Pferdes, des roten. Auf ihm sitztderKrieg,
der Anstifter zu gegenseitiger Tötung. Er führt ein großes Schwert. Das
dritte Pferd, das schwarze, trägt als Reiter den Mann mit der Waage in
der Hand. Und mitten aus den redenden Tieren heraus hört man die
Stimme: Ein Maß Weizen um einen Denar und zwei Maß Getreide um
einen Denar. Und hinzugefügt wird: Schone den Wein und das Ol. Das
vierte rufende Tier endlich ist ein blasses Pferd, auf dem der Tod sitzt.
Hinter ihm folgt die Hölle. Und ihm ist Gewalt gegeben über vier Teile
der Erde, zu töten mit dem Schwert, dem Hunger, dem Tod [siel] und den
wilden Tieren.
Diese dunkelsinnigen Gesichte sind nun oft genug bildlich dargestellt
worden, zu verschiedenen Zeiten. Auf jahrelange Studien gründet sich dieses
Urteil. Damit stehe ich im Gegensätze zu Fr. Lücke, der sich äußerte: „Für
Maler und Bildhauer ist die Apokalypse ein verschlossenes Buch."*) Schon
Piper hat gegen Lücke geschrieben.**) An die älteren Riegen von Bildern
zur Apokalypse erinnere ich heute nur mit wenigen Worten unter Hinweis
zumeist auf eigene Arbeiten***), in denen viele andere Literatur genannt ist,
*) Vgl. Fr. Lücke: „Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung
Johannis und indie gesamte apokalyptische Literatur" (Bonn, 1832, S. 190).
**) ln der „Einleitung in die monumentale Theologie" (S. 18).
***) „Die Apokalypse in den Bilderhandschriften des Mittelalters" (1885) und
„Blätter für Gemäldekunde", Bd. V, S. 90 ff. Als Nachträge werden zum Teil die obigen
Erörterungen geboten, zum Teil werden Ergänzungen noch aufgeschoben. Auf Seite 7
meines Buches ist das Versehen zu verbessern, durch das statt San Clemente gedruckt
wurde: Santa Clemente. Die Erörterungen über Aachen sind seit 1885 überholt worden.
Zu den Bilderhandschriften, die ich benutzt habe, ist eine Menge neuerer Literatur
 
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