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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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I. und II. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Bemerkungen zu Jacometto Veneziano
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0030
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die dargestellten Frauen und Mädchen nicht immer so schmuckbeladen sind
wie etwa Cattarina Cornaro und ihr Gefolge auf dem berühmten Bild des
Gentile Bellini mit dem Kreuzeswunder. Nun hat es auch mit der Nonnen-
tracht des Klosters San Segondo eine eigene Bewandtnis, die es verständ-
lich macht, daß Michiel diese Tracht eigens hervorhebt und daß er nicht
von Nonnentracht überhaupt spricht. Denn auch die gewöhnliche Nonnen-
tracht sieht anders aus als das Kostüm auf dem Bildchen bei Liechtenstein.
Das Kloster San Segondo war ein Benediktinerinnenstift auf der Insel San
Segondo bei Venedig (man kann diese Insel erblicken von der Eisenbahn-
brücke aus, die Venedig mit Mestre verbindet). Die Benediktinerinnen be-
zogen ihre Nonnen aus den vornehmen Familien Venedigs.
Im Kloster San Segondo hielt man viel auf freies, gutes Leben und,
nach allem zu schließen, was bekannt ist, wurden nicht einmal der Hals und
die obere Brust von der klösterlichen Kleidung bedeckt. Nur bei kirchlichen
Feierlichkeiten trugen die Benediktinerinnen schwarze Kapuzen und anderes
über dem gewöhnlichen weißen Weihei. Der Mange! einer dunklen Kapuze
schließt also den Nonnencharakter nicht aus. (Vgl. hauptsächlich Ph.Bonanni,
„Verzeichnis der geistlichen Ordenspersonen", Nürnberg 1724, II.Teil, Taf. 19,
und Flaminius Cornelius, „EcclesiaeVenetae antiquismonumentisnuncetiam
primum editis illustratae ac in decades distributae", Venedig 1749, IX, 36f.,
im Kapitel „De Monasterio Sanoti Secundi in Insula".)
In San Segondo führten arge Mißstände und das völlige Einreißen
ganz weltlicher Sitten oder vielmehr Unsitten 1515 zu einer Reform, die
durch den Patriarchen ^von Venedig Antonio Contarini und den Kardinal
P. Bembo durchgeführt wurde. Das Einreißen schlechter Sitten und welt-
licher Gewohnheiten hatte sich gewiß vorher schon lange vorbereitet und
wenn man die Entstehung des Doppelbildchens ins letzte Viertel des 15. Jahr-
hunderts oder um 1500 ansetzen will, so lassen sich die sittengeschicht-
lichen Angaben aus der Zeit gegen 1515 recht wohl zur Beurteilung des
Doppelbildnisses verwenden. Und danach ist es überaus wahrscheinlich, daß
das weibliche Brustbild im kleinen Doppelbildnis der fürstlich Liechtenstein-
schen Galerie in der Tat eine Benediktinerin aus dem Kloster San Segondo
bei Venedig darstellt. Damit wird auch die Wahrscheinlichkeit gegeben, es
sei das Diptychon des Jacometto wiedergefunden, das einen Alvise Conta-
rini und gegenüber eine Nonne darstellte und das in der Notizia d'opere
di disegno durch M. A. Michiel 1543 beschrieben worden ist.
Da nun aber der Herkunftsnachweis nicht in allen Punkten sicher ist,
läßt sich die Herkunftsangabe nicht sogleich als Beglaubigung für die Be-
nennung Jacometto verwenden. Dieser Name ist für das formvollendete Werk
übrigens auch so nicht abzuweisen, wie das schon besprochen worden ist.
Das kleine Bildnis, das wahrscheinlicherweise den Alvise Contarini
darstellt und das jetzt in der fürstlich Liechtensteinschen Galerie hängt, ist
entweder vom Künstler wiederholt worden oder man hat es schon vor
Zeiten kopiert, ln der Miniaturensammlung des Duc of Bucceleuch zu Mon-
tague-House befindet sich eine derlei Wiederholung oder Kopie. Sie ist
ohne jede Bezugnahme auf die Jacometfo-Frage veröffentlicht im englischen
Kunstblatt „The Connoisseur" vom Juli 1907, und zwar als Arbeit des Anto-
nello da Messina. Daß auch das kleine Bildnis in Montague-House mit
Jacometto zusammenhängt, ist nun wohl ziemlich klar. Th. v. Fr.
 
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