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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

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III. und IV. Lieferung
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Frimmel, Theodor von: Aus der Sammlung G. v. Osmitz in Preszburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0073
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bUdnis von hohen Qualitäten. Ich wage es vorläufig nicht, einen bestimmten
Namen zu nennen, und deute nur an, daß sich eine Namengebung auf
Vermeer v. Delft verteidigen läßt und daß daneben auch von M. de Sweerts
die Rede war. Für eine der nächsten Lieferungen der Studien und Skizzen
ist die Abbildung dieses ganz besonders merkwürdigen Bildes vorbereitet.
Rasch notiert wurden noch ein Niklas Elias von 1631, ein Damen-
bildnis wohl von Abraham v. d. Tempel, das früher als Werk des Niki.
Maes gegolten hatte. — Ein alter Zeichner mit Mappe, dabei seine Schülerin
oder Tochter oder sonst ein jüngeres weiblichesWesen, hat das Monogramm
C R (verschlungen), das nicht eigentlich zu deuten ist. Ich will doch nicht
sogleich einen Spätstil des Constantin Renesse künstlich aufstellen, obwohl
die Möglichkeit vorliegt, daß der gewiß holländische Monogrammist C R
bei Osmitz mit C. Renesse identisch wäre. Renesse erreichte das Alter von
nahezu 54 Jahren. Er lebte vom 28. September 1626 bis zum 12. September
1680. Die kleine Darstellung kann Bilderfreunde und Kunstgelehrte fesseln
und wird bei Gelegenheit abgebildet mit noch anderen holländischen Bildern
der Sammlung Osmitz.
Ein gutes Bildnis eines ältlichen Herrn mit Vollbart wird dem Stefan
Calcar zugeschrieben, nicht ohne Grund. Es mag uns zu den Italienern
hinüberleiten; denn Calcar war ein Niederländer, der in Italien groß wurde.
Unter den Italienern der neugebildeten Sammlung steht obenan ein
Bildnis von der Hand Tizians, leider durch viele alte und neuere „Wieder-
herstellungen" recht bös mitgenommen. Soweit ich nach den bisherigen
Untersuchungen des Bildes urteilen kann, ist dieser Tizian als ein Bildnis
des berühmten Arztes und Schriftstellers Fracastoro zu betrachten. Das
Bild in Padua, das kurze Zeit alsFracastoroporträt von Tizian galt, ist weder
in bezug auf den Dargestellten noch auf den Maler richtig benannt. Viel
mehr Aussicht auf Bestätigung der Benennung hat das Gemälde bei Osmitz,
das möglicherweise jenes Fracastorobildnis ist, dessen schon Vasari und
später Ridolfi gedenkt und das als verschollen in der neuen Literatur mehr-
mals erwähnt wird. Bei Brognoli in der„Nuovaguidaperla cittä di Brescia"
(Brescia 1826, S. 210) kommt es vor als Besitz des Conte Teodoro Lecchi
zu Brescia. Das vorliegende Exemplar war angeblich eine Zeitlang in der
berühmten Galerie Nesselrode zu St. Petersburg, später bei Delaroff und von
dort gelangte es in den Kunsthandel nach Wien, wo es von Osmitz er-
worben wurde. Augenscheinlich hat bei wiederholtem Besitzwechsel eine
oftmalige ärztliche Behandlung des Gemäldes stattgefunden. „Habent sua
fata libelli —" et picturae. Nicht nur Bücher, sondern auch Bilder haben
ihre mannigfachen Schicksale. Aber an keinem Buch hausen gewöhnlich die
Buchbinder so wie manche „Wiederhersteller" an den Gemälden. Die Er-
örterung der Schäden an dem Bilde und das Zusammensuchen des immer-
hin nicht wenigen Wohlerhaltenen sei, mitsamt einer Reihe von Erörterungen
zu Tizian und Fracastoro, noch aufgeschoben, bis eine gute Abbildung vor-
liegt. Ich will diese dann alsbald den Abnehmern der Studien und Skizzen
zur Verfügung stellen.
Auch ein vorzügliches, nicht unberührt gebliebenes Damenbildnis
der besten venezianischen Kunst aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts wird noch bei besserer Gelegenheit und nach der Herstellung
einer Abbildung zu besprechen sein.

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