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das Bildchen sei holländisch, obwohl die freie Pinselbeherrschung des
Haarlemer Frans Hals darin unschwer wenigstens in Nachwirkungen zu
erkennen ist. Denn manches im Bilde erinnert an die Flandrer um 1630 bis
1640. Das wäre somit das Schillern zwischen holländischer und flandrischer
Art, das insbesondere dem Adriaen Brouwer zukommt. Wiewohl man
gar selten im Kunsthandel einem echten Adr. Brouwer begegnet, möchte ich
doch gern dem berühmten Künstler das kleine Gemälde zuschreiben. Die
ungewöhnliche künstlerische Höhe des Bildchens kann keinem anderen
Maler aus der angedeuteten Zeit und Richtung entsprechen. Man mag ja an
ein Sonntagswerkeines Craesbeek, eines M. Sorgh, C. Saftleven denken, aber
doch nur, um diese Gedanken bald zugunsten Brouwers aufzugeben.*) Auf
diesen hochbegabten kurzlebigen Künstler weisen ja auch die meisten Typen
der Gesichter hin. Nicht zu übergehen ist das für Brouwer geradeswegs
kennzeichnende geradlinige Einschneiden der Mundspalte in den Profil-
köpfen.
Eine Datierung des kleinen Bildes ist mit einiger Sicherheit herauszu-
bringen. Wollte der geneigte Leser doch beachten, daß sich Brouwer hier
eines Motivs bedient, das er wohl nur von einer datierten Rembrandtschen
Radierung entnommen haben kann. Ich meine Rembrandts Blatt mit der
großen Auferweckung des Lazarus von 1632 mit dem Motiv der Zuschauer,
die im tieferen Mittelgrund angebracht sind und auf den Vorgang im höher
gelegenen Vordergrund hingucken. Damit wäre also 1632 als untere Zeit-
grenze gegeben. Vermutlich hat Brouwer dieses Rembrandtsche Blatt beim
Stecher Pauwel Pontius in Antwerpen kennengelernt, bei welchem er seit
dem Frühling 1634 wohnte.**)
Vorher hatte Brouwer schon in Holland gewirkt und ein Aufenthalt
in Haarlem macht den Einfluß des Frans Hals begreiflich. Wie man weiß,
lebte Brouwer von 1605 (oder 1606) bis zum Februar 1638. Er war früh
reif und schuf in der kurzen Reihe von etwa vierzehn Jahren, die für seine
Künstlerlaufbahn in Betracht kommen, eine verhältnismäßig große Anzahl
von Gemälden, zumeist hohen Ranges. Die besten sind wohl in den letzten
Jahren seines Lebens entstanden, ln diese Periode gehört auch die prächtig
gekennzeichnete Szene aus dem niederländischen Bauernleben, die auf dem
Bildchen bei Osmitz dargestellt ist. Ein junger Mann legt in Gegenwart
vieler Zuschauer eine Tanzprobe ab. Er tanzt zur Flöte. Man ist mit seiner
Leistung zufrieden, ja man freut sich darüber. Das ist in den Mienen und
der Haltung der Zuseher gar deutlich zum Ausdruck gebracht. Besonders
erfreut scheint das Paar zu sein, das rechts unmittelbar hinter dem nieder-
gebeugten Pferdehals sichtbar ist. Wir gehen nicht fehl, in diesem Paar die
beglückten Eltern des tanzenden Debütanten anzunehmen, ln der Landschaft
wären manche feine Stimmungen zu erwähnen, die freilich im grauen Netz-
druck nicht zum Ausdruck kommen können.
Herr Direktor v. Osmitz hat kurz vor dem Ausbruch des Weltkrieges
in England noch ein unvollendetes Gemälde erworben, ein Gruppen-
*) Brouwers Nachahmer sind zusammengesteiit bei De Groot: „Beschreibendes
kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragenden hoiländischen Maier des 17. Jahr-
hunderts" (!Ii, S. 700).
**) Diese Ziifer nach F. Schmidt-Degener, der sich bekanntlich eingehend mit der
Erforschung Brouwers abgegeben hat.
das Bildchen sei holländisch, obwohl die freie Pinselbeherrschung des
Haarlemer Frans Hals darin unschwer wenigstens in Nachwirkungen zu
erkennen ist. Denn manches im Bilde erinnert an die Flandrer um 1630 bis
1640. Das wäre somit das Schillern zwischen holländischer und flandrischer
Art, das insbesondere dem Adriaen Brouwer zukommt. Wiewohl man
gar selten im Kunsthandel einem echten Adr. Brouwer begegnet, möchte ich
doch gern dem berühmten Künstler das kleine Gemälde zuschreiben. Die
ungewöhnliche künstlerische Höhe des Bildchens kann keinem anderen
Maler aus der angedeuteten Zeit und Richtung entsprechen. Man mag ja an
ein Sonntagswerkeines Craesbeek, eines M. Sorgh, C. Saftleven denken, aber
doch nur, um diese Gedanken bald zugunsten Brouwers aufzugeben.*) Auf
diesen hochbegabten kurzlebigen Künstler weisen ja auch die meisten Typen
der Gesichter hin. Nicht zu übergehen ist das für Brouwer geradeswegs
kennzeichnende geradlinige Einschneiden der Mundspalte in den Profil-
köpfen.
Eine Datierung des kleinen Bildes ist mit einiger Sicherheit herauszu-
bringen. Wollte der geneigte Leser doch beachten, daß sich Brouwer hier
eines Motivs bedient, das er wohl nur von einer datierten Rembrandtschen
Radierung entnommen haben kann. Ich meine Rembrandts Blatt mit der
großen Auferweckung des Lazarus von 1632 mit dem Motiv der Zuschauer,
die im tieferen Mittelgrund angebracht sind und auf den Vorgang im höher
gelegenen Vordergrund hingucken. Damit wäre also 1632 als untere Zeit-
grenze gegeben. Vermutlich hat Brouwer dieses Rembrandtsche Blatt beim
Stecher Pauwel Pontius in Antwerpen kennengelernt, bei welchem er seit
dem Frühling 1634 wohnte.**)
Vorher hatte Brouwer schon in Holland gewirkt und ein Aufenthalt
in Haarlem macht den Einfluß des Frans Hals begreiflich. Wie man weiß,
lebte Brouwer von 1605 (oder 1606) bis zum Februar 1638. Er war früh
reif und schuf in der kurzen Reihe von etwa vierzehn Jahren, die für seine
Künstlerlaufbahn in Betracht kommen, eine verhältnismäßig große Anzahl
von Gemälden, zumeist hohen Ranges. Die besten sind wohl in den letzten
Jahren seines Lebens entstanden, ln diese Periode gehört auch die prächtig
gekennzeichnete Szene aus dem niederländischen Bauernleben, die auf dem
Bildchen bei Osmitz dargestellt ist. Ein junger Mann legt in Gegenwart
vieler Zuschauer eine Tanzprobe ab. Er tanzt zur Flöte. Man ist mit seiner
Leistung zufrieden, ja man freut sich darüber. Das ist in den Mienen und
der Haltung der Zuseher gar deutlich zum Ausdruck gebracht. Besonders
erfreut scheint das Paar zu sein, das rechts unmittelbar hinter dem nieder-
gebeugten Pferdehals sichtbar ist. Wir gehen nicht fehl, in diesem Paar die
beglückten Eltern des tanzenden Debütanten anzunehmen, ln der Landschaft
wären manche feine Stimmungen zu erwähnen, die freilich im grauen Netz-
druck nicht zum Ausdruck kommen können.
Herr Direktor v. Osmitz hat kurz vor dem Ausbruch des Weltkrieges
in England noch ein unvollendetes Gemälde erworben, ein Gruppen-
*) Brouwers Nachahmer sind zusammengesteiit bei De Groot: „Beschreibendes
kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragenden hoiländischen Maier des 17. Jahr-
hunderts" (!Ii, S. 700).
**) Diese Ziifer nach F. Schmidt-Degener, der sich bekanntlich eingehend mit der
Erforschung Brouwers abgegeben hat.