Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 2.1915-1916

DOI Heft:
V. und VI. Lieferung
DOI Artikel:
Frimmel, Theodor von: Waldmüllers Beethovenbildnis
DOI Artikel:
Aus der Literatur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27902#0116

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
106

die Modellierung des Kinns unvollkommen ist und daß seine Schatten an
der Unterseite ohne Zweifel zu hell gehalten sind (der Widerschein vom
hellen Halstuch ist wohl übertrieben), bezieht jeder Beschauer die hellen
Stellen noch aufs Gesicht, dessen untere Hälfte dadurch zu lang er-
scheint. Man hat nicht den Eindruck einer verkürzten Unterseite, sondern
einer langen Vorderseite.
Wer sich in die Maske von 1812 und in die Kieinsche Büste eingelebt
hat (die anbei zur Erinnerung nachgebildet ist), muß wohl zugestehen, daß
er vom Waldmüllerschen Bildnis einen im ganzen Beethoven-fremden
Eindruck empfängt Der große Künstler Waldmüller konnte ja seiner Be-
gabung nicht freien Lauf lassen. Kaum hat er einige große Formen ange-
deutet, Stirn, Augen, Schläfen und den Mund alla prima gemalt, so wird
der Mittagstisch aufgetragen. Beethoven, ohnedies schon durch die unbe-
queme Sitzung gereizt, bricht bei der verdorbenen Mehlspeise in Wut aus,
und der Maler muß einpacken und abziehen. Aber die Entlohnung, die er
von Breitkopf & Härte! erwartete, sollte nicht im Stich gelassen werden.
Das Bild wurde, als weitere Sitzungen nicht zu erlangen waren, nach der
Erinnerung fertiggemalt. Daß dabei wichtige und bezeichnende Einzelheiten
unterwegs bleiben mußten, ist klar. Auch ein so hochbegabter Künstler wie
Waldmüller, der sonst so vorzügliche Bildnisse geschaffen hat, konnte eben
nicht zaubern und das aus den Fingern saugen, was ihm an bestimmter
Anschauung des Porträtmodells mangelte. Was er wohl gewiß ohne
Schwierigkeit treffen konnte, das leicht ergraute Haar, die Rötung des Ge-
sichtes, die Form des Anzuges, können wir mit Vertrauen aufnehmen. Viel-
leicht war der Blick der dunklen Augen naturgetreu. Aber als getroffen
dürfen wir dieses Porträt nicht bezeichnen, auch wenn wir Schindlers be-
dingungslose Verdammung nicht unterschreiben wollen. Vor allzu vielem
Herauslesen aus dem Bildnis sei eindringlich gewarnt. Im ganzen ist die
Bildnisähnlichkeit nicht zu retten, wogegen einzelne Züge brauchbar sind.
So bleibt uns nur das Bedauern übrig, daß die Gelegenheit, den größten
Tonkünstler seiner Zeit durch einen der besten zeitgenössischen Maler ver-
ewigt zu sehen, nicht voll ausgenutzt werden konnte.
Dr. Th. v. Fr.

AUS DER LITERATUR.
„Kunstmusets aarsskrift 11." (Kopenhagen, Gyldendalsche Buch-
handlung, Nordischer Verlag, H. H. Thieles Buchdruckerei.) 1915. Kl.-Fol.
1914 wurde in Kopenhagen die Herausgabe von Jahrbüchern be-
gonnen, in denen bemerkenswerte Kunstsachen aus dänischem Besitz ver-
öffentlicht werden. Das Unternehmen ist durch den ersten Band in glän-
zender Weise eingeführt worden, und vor kurzem folgte der zweite, der
wieder überaus inhaltsreich und prächtig ausgestattet ist. Es sei an dieser
Stelle des besonderen auf die Fortsetzung der Folge hingewiesen, wie denn
auch dem ersten Band in der X. Lieferung der vorliegenden Studien und
Skizzen eine besondere Besprechung gewidmet worden war. Der neue,
zweite, Band bringt Beiträge von Fr. Beckett, Th. Oppermann, T. Möller,
 
Annotationen