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MITTELUNGEN AUS DER ALTEN GALERIE SAINT-SAPHORIN.
Im unermeßlich breiten und langen Strom des Geschehens kann dem
aufmerksamsten Auge nur weniges sichtbar werden. Der Beobachter treibt
als kleiner Bestandteil des Stromes selbst mit diesem fort, schaut in kleinem
Gesichtskreis herum und darf froh sein, einige Gesetzmäßigkeit zu erkennen,
mit der er weitergeschoben wird. Im wesentlichen ist er seihst, und das
jeder, das Wenigste, nahezu eine Nu!!, und er möge sich vor der Einbiidung
hüten, a)s könne er den ganzen unendüchen Strom begreifen. So ist's im
Strom der Staatengeschichte, so ist's in dem der Kunstgeschichte, nicht zu-
letzt der Geschichte des Sammetwesens. Trotzdem zieht es uns immer
wieder dahin, wenigstens der Meinen menschlichen Erkenntnis gerecht zu
werden. — Und in diesem Sinne ist aüe Forschung, demnach auch der
folgende Versuch aufzunehmen. —
Ais ich vor ungefähr 16 Jahren den Abschnitt über die Samndung
Saint-Saphorin im III. Kapite! der „Geschichte der Wiener Gemäldesamm-
lungen" abschioß, waren mir einige Queüen noch unzugänglich oder un-
bekannt, die ich heute ausnutzen kann. Das alte Lambergsche Inventar, in
welchem auf Ankäufe aus der Saint-Saphorinschen Galerie hingewiesen wird,
galt damals, als ich schrieb, für verschollen. Der eine oder andere sehr
seltene alte Stich von Wiener Stechern aus der Zeit um 1800 war mir ent-
gangen, und ich hatte nicht daran gedacht, gerade in längst vergessenen
Sonetten des fernliegenden Achim von Arnim nachzusuchen, um mich über
die Galerie Saint-Saphorin zu unterrichten. Bei der Ausarbeitung des
IV. Kapitels meiner Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen konnte
dann nachgetragen werden, was sich im Lambergschen Inventar vorfand,
wenigstens andeutungsweise, und in neuester Zeit ist die Reihe von Ge-
dichten Achim von Arnims wieder beachtet worden, die mit zwei Sonetten
auf die Galerie Saint-Saphorin Bezug nimmt. Die „Gesellschaft der Biblio-
philen" in Weimar hat nämlich 1912 durch Jakob Minor „Ariels Offen-
barungen" (von 1804) als Neudruck herausgegeben. In der genannten Dich-
tung besingt Achim von Arnim mehrere Gemälde, auch solche aus der
Kaiserlichen Galerie, und zwei aus der Sammlung, die uns heute angeht.
Diese Gemälde sind: ein [Jan] Brueghel: „Das Paradies der Erde", und
eine Madonna, vor dem Christkind kniend, von Carlo Maratti, ein Bild,
das vom Dichter als „Das Paradies des Himmels" eingeführt wird. Die
zwei Sonette, die den erwähnten Bildern gewidmet sind, bieten fast keine
beschreibenden Züge, so daß sie nicht neuerlich an dieser Stelle abgedruckt
zu werden brauchen. Was für die Geschichte der Galerie Saint-Saphorin
aus den Gedichten abgeleitet werden kann, dient mehr der Zeitbestimmung
und Wertschätzung der Sammlung. Aus der Zeitangabe: 1804 für den ersten
Druck der: Offenbarungen Ariels läßt sich der Schluß ableiten, daß der
besungene Jan Brueghel und Maratti gegen 1804 schon im Besitz unseres
Sammlers waren, und der Umstand einer Besingung dieser Bilder in den:
Offenbarungen Ariels läßt darauf schließen, daß die Sammlung gegen 1804
einen gewissen Ruf genoß. Wo der Jan Brueghel: Das irdische Paradies und
der Maratti: Madonna heute zu finden sind, bleibt übrigens noch zu er-
mitteln. Jan Brueghel hat das irdische Paradies mehrmals dargestellt. Das
beste Bild dieser Art dürfte das im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin
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MITTELUNGEN AUS DER ALTEN GALERIE SAINT-SAPHORIN.
Im unermeßlich breiten und langen Strom des Geschehens kann dem
aufmerksamsten Auge nur weniges sichtbar werden. Der Beobachter treibt
als kleiner Bestandteil des Stromes selbst mit diesem fort, schaut in kleinem
Gesichtskreis herum und darf froh sein, einige Gesetzmäßigkeit zu erkennen,
mit der er weitergeschoben wird. Im wesentlichen ist er seihst, und das
jeder, das Wenigste, nahezu eine Nu!!, und er möge sich vor der Einbiidung
hüten, a)s könne er den ganzen unendüchen Strom begreifen. So ist's im
Strom der Staatengeschichte, so ist's in dem der Kunstgeschichte, nicht zu-
letzt der Geschichte des Sammetwesens. Trotzdem zieht es uns immer
wieder dahin, wenigstens der Meinen menschlichen Erkenntnis gerecht zu
werden. — Und in diesem Sinne ist aüe Forschung, demnach auch der
folgende Versuch aufzunehmen. —
Ais ich vor ungefähr 16 Jahren den Abschnitt über die Samndung
Saint-Saphorin im III. Kapite! der „Geschichte der Wiener Gemäldesamm-
lungen" abschioß, waren mir einige Queüen noch unzugänglich oder un-
bekannt, die ich heute ausnutzen kann. Das alte Lambergsche Inventar, in
welchem auf Ankäufe aus der Saint-Saphorinschen Galerie hingewiesen wird,
galt damals, als ich schrieb, für verschollen. Der eine oder andere sehr
seltene alte Stich von Wiener Stechern aus der Zeit um 1800 war mir ent-
gangen, und ich hatte nicht daran gedacht, gerade in längst vergessenen
Sonetten des fernliegenden Achim von Arnim nachzusuchen, um mich über
die Galerie Saint-Saphorin zu unterrichten. Bei der Ausarbeitung des
IV. Kapitels meiner Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen konnte
dann nachgetragen werden, was sich im Lambergschen Inventar vorfand,
wenigstens andeutungsweise, und in neuester Zeit ist die Reihe von Ge-
dichten Achim von Arnims wieder beachtet worden, die mit zwei Sonetten
auf die Galerie Saint-Saphorin Bezug nimmt. Die „Gesellschaft der Biblio-
philen" in Weimar hat nämlich 1912 durch Jakob Minor „Ariels Offen-
barungen" (von 1804) als Neudruck herausgegeben. In der genannten Dich-
tung besingt Achim von Arnim mehrere Gemälde, auch solche aus der
Kaiserlichen Galerie, und zwei aus der Sammlung, die uns heute angeht.
Diese Gemälde sind: ein [Jan] Brueghel: „Das Paradies der Erde", und
eine Madonna, vor dem Christkind kniend, von Carlo Maratti, ein Bild,
das vom Dichter als „Das Paradies des Himmels" eingeführt wird. Die
zwei Sonette, die den erwähnten Bildern gewidmet sind, bieten fast keine
beschreibenden Züge, so daß sie nicht neuerlich an dieser Stelle abgedruckt
zu werden brauchen. Was für die Geschichte der Galerie Saint-Saphorin
aus den Gedichten abgeleitet werden kann, dient mehr der Zeitbestimmung
und Wertschätzung der Sammlung. Aus der Zeitangabe: 1804 für den ersten
Druck der: Offenbarungen Ariels läßt sich der Schluß ableiten, daß der
besungene Jan Brueghel und Maratti gegen 1804 schon im Besitz unseres
Sammlers waren, und der Umstand einer Besingung dieser Bilder in den:
Offenbarungen Ariels läßt darauf schließen, daß die Sammlung gegen 1804
einen gewissen Ruf genoß. Wo der Jan Brueghel: Das irdische Paradies und
der Maratti: Madonna heute zu finden sind, bleibt übrigens noch zu er-
mitteln. Jan Brueghel hat das irdische Paradies mehrmals dargestellt. Das
beste Bild dieser Art dürfte das im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin
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