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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

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Nr. 2
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Frimmel, Theodor von: Tizians Skizze zum Petrus Martyr
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https://doi.org/10.11588/diglit.52767#0043
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33

TIZIANS SKIZZE ZUM PETRUS MARTYR.
Durch einen glücklichen Zufall konnte ich vor kurzem den eigen-
händigen Entwurf Tizians zu einem seiner berühmtesten Werke auffinden,
und zwar in einem Familienbesitz, der bisher niemals Beziehungen zur
Öffentlichkeit hatte. Neben geringwertigen anderen Bildern habe ich die
kostbare Skizze als eine Art Andachtsbild ohne jede Benennung oder hohe
Wertschätzung vorgefunden. Aus der Entfernung betrachtet mußte mir das
kleine Gemälde freilich sofort durch seine Beziehungen zum Petrus
Martyr von Tizian auffallen. Der vollendet künstlerische Aufbau des
Bildes ist ja durch alte Stiche, alte Kopien, groß und klein, jedem Kunst-
freund bekannt. Ich dachte, es wird wohl wieder so eine alte kleine Kopie
sein, wie ich deren vorher oft genug gesehen hatte. Näher zusehend konnte
ich aber bald einzelne Züge gewahr werden, die in eine künstlerische Be-
deutung von solcher Höhe hinaufführten, daß eine Meisterhand ersten Ranges
unbedingt anzunehmen war. Und bei vergleichendem Nachdenken und Nach-
suchen stellte sich diese Meisterhand als die des Tizian selbst heraus.
Der Petrus Martyr gehörte zu den hervorragenden Werken der Aller-
größten in der Kunstgeschichte. Tizian hatte es mit besonderer Liebe und
Sorgfalt vorbereitet und ausgeführt, wie das nicht nur aus den schriftlichen
Quellen erhellt, sondern auch aus dem Umstand, daß mehrere Zeichnungen
von Tizians Hand erhalten sind, die auf Vorarbeiten hinweisen, was man
nicht von all zu vielen Werken des Tizian behaupten kann. Da Zeichnungen
von Tizians Hand überhaupt höchst selten sind und sich die Zuschreibungen
aus den alten Verzeichnissen in den meisten Fällen nicht halten lassen, hat
sich eine Art Märchen gebildet, es gäbe überhaupt keine Tizianschen Hand-
risse für seine Gemälde. So schlimm steht die Sache nun gewiß nicht,
und an der richtigen Benennung einiger Federzeichnungen gerade zum Petrus
Martyr läßt sich nicht zweifeln.
Eine Farbenskizze zum Petrus Martyr, so meinte man, sei nicht er-
halten. Die vermeintliche Skizze, die 1857 in der großen rückblickenden
Kunstschau zu Manchester gezeigt wurde, ist von niemandem ernst ge-
nommen worden, also auch nicht von den wohlunterrichteten Kennern
Charles Blanc und W. Bürger (Thore), die eingehende Berichte über die
Kunstschau in Manchester geschrieben haben. Und dennoch muß es eine
verhältnismäßig deutlich ausgeführte Skizze zum Petrus Martyr gegeben
haben, da doch Tizian mit einer solchen rechtlich bindenden Skizze im
Wettbewerb den Sieg über die Nebenbuhler davontrug.
Der Wettbewerb ist bestens beglaubigt, und die Kunde davon war
noch zu Ridolfis Zeiten lebendig.*) Palma, Pordenone und Tizian hatten
Skizzen eingesandt, die dann öffentlich ausgestellt waren. Die Zeichnung
*) Ich gedenke, über diese Angelegenheit eine besondere Arbeit zu veröffentlichen
und deute vorläufig nur an, daß die meiste alte Literatur zur Sache bei Crowe und
Cavalcaselle im Tizian, bei Lafenestre in dessen großer Tizianbiographie, in Gronaus
Vasariübersetzung und in der neuen Ausgabe der Maraviglie von C. Ridolfi (durch
Baron D. v. Hadeln) genannt ist. — Zeichnungen, die augenscheinlich mit dem Wett-
bewerb Zusammenhängen, aber sicher nicht von Tizian herrühren, in der Albertina.
(Sc. Ven. Nr. 33 und 34.)

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