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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Van Dycks Fesselung des Samson
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0087

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VAN DYCKS FESSELUNG DES SAMSON.
Einige Jahre vor dem Ausbruch des Weltkrieges ist im Besitz der
Frau Baronin Majthenyi ein Bild zum Vorschein gekommen, das in der An-
lage gänzlich dem Samsonbild des Van Dyck in der Galerie des Wiener
Hofmuseums entspricht. Gegenwärtig gehört das Bild der Frau Geheimrätin
von Bitto in Budapest. Es ist etwas kleiner als das Museumsbild und weist
ein anderes Format auf. Denn es mißt 2 Meter in der Breite auf 125 in
der Höhe, wogegen das Samsonbild im Hofmuseum 2’57 breit und 148
groß ist. Einige kleine Abweichungen in der Zeichnung und Modellierung
werden uns noch beschäftigen, wenn wir auf genauere Vergleichungen ein-
gehen. Die Wahl der Farben stimmt auf beiden Bildern überein, so daß man
dieselben Pigmente annehmen darf. Kunststufe beider Bilder ist ungefähr
dieselbe, wie denn auch, nach der Sprungbildung und der Verfärbung der
Leinwand zu schließen, das Alter beider Stücke nicht wesentlich verschieden
sein dürfte. Beide Bilder stammen noch aus der Zeit, als sehr breite Hanf-
stoffe (Leinwänden) noch nicht gewoben wurden. Bei beiden ist der Mal-
grund nach oben angestückelt. Die Naht ist auch auf den Abbildungen er-
sichtlich. Es wäre voreilig, sogleich auf eine alte Kopie nach dem Bild zu
schließen, das sich jetzt im Wiener Hofmuseum befindet. Denn die unver-
kennbare Frische der Pinselzüge, die Unmittelbarkeit des Ganzen führen
eher darauf hin, das Bild mit Van Dyck selbst in Verbindung zu bringen.
Die Ausführung bei Bitto muß ja gar nicht später fallen als die des Exem-
plars im Hofmuseum bloß deshalb, weil sich die neu aufgefundene Ausführung
in privaten Händen und das allbekannte Exemplar in einem weltberühmten
Museum befindet. Das Exemplar in Privatbesitz könnte auch früher entstanden
sein als das Museumsbild. Auf diesen Gedanken kam ich durch die Freiheit
der ganzen Behandlung des Bittoexemplars und durch eine Vergleichung
mit den Bildern ähnlicher Darstellung aus dem Kreis des Rubens und Van
Dycks. Ohne meine Ansicht irgend jemandem aufdrängen zu wollen, lege
ich die Gründe auseinander, die für eine frühere Entstehung des Bittobildes
sprechen. Rubens selbst hat in den Jahren um 1614 eine Fesselung des
Samson gemalt. Das fertige Bild, an dem ja wohl auch der eine oder andere
Schüler mitgearbeitet hat, befindet sich in der Münchner Pinakothek. (Eine
Abbildung wird auf Tafel XXV geboten, und zwar mit gütiger Erlaubnis
der Firma F. Bruckmann in München.) Dieses Werk des Rubens, gleich den
meisten anderen, war gewiß nicht für die geheimsten Gemächer des Malers
bestimmt und muß bald in den Kreisen der Schüler bekannt geworden sein.*)
Fällt es doch auf, daß das Simsonbild des Van Dyck im Wiener Hofmuseum
eine ausgesprochene Familienverwandtschaft mit dem Rubensschen Samson
nicht verleugnen kann. Ich schreibe: des Van Dyck, obwohl mir einige
Züge des Bildes nicht diesem größten Rubensschüler zu entsprechen scheinen,
sondern anderen Händen, die im Atelier des Rubens tätig waren. (Der
leichteren Vergleichung wegen füge ich auch von diesem Gemälde eine Ab-
bildung bei, die der freundlichen Erlaubnis der Firma J. Löwy in Wien ver-
dankt wird. Siehe Tafel XXVI11.) Hauptsächlich befremdet für Van Dyck das
*) Max Rooses: L'oeuvre de P. P. Rubens. Bd. 1.

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