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Rahmenecke eines Bildes auf der Kehrseite eines anderen rutscht. War das
betroffene Bild schon in der Farbe genügend spröde, so bildet sich eine
ährenförmige Craquelure, die oft recht störend sein kann und sicher niemals
zur Zierde eines Gemäldes gereicht im Gegensatz zu gesunden, mäßigen
Gittersprüngen, die ja mithelfen, ehrwürdiges Alter der Gemälde nachzu-
weisen. (Beispiele in meinem Handbuch, 2. Aufl., S. 112.) Für Besucher
der Nationalgalerie zu Berlin sei auf Dehaussys Atelier von 1835 hinge-
wiesen, ein Bild, das neben älteren breiten Lasurenrissen auch eine auf-
fallende ährenförmige Craquelure blicken läßt.
In bezug auf das Erkennen des Alters spielt die Sprungbildung eine
nicht geringe Rolle. Doch ist es im Zusammenspiel der Merkmale doch
immer nur eine Rolle allein. Denn, wie schon angedeutet wurde, es gibt
alte Bilder, die sich ohne Sprünge einige Jahrhunderte lang erhalten haben,
und als Widerspiel findet man junge Gemälde, die echte oder auch falsche
Sprünge aufweisen. Vorsichtige Überlegung ist in jedem Fall geboten bei
Rückschlüssen von den Sprüngen aufs Alter der Bilder. Die soliden Gitter-
sprünge im ganzen Farbenkörper guter Ölgemälde erlauben allerdings die
Annahme, daß jene Bilder älter sind als etwa 50 bis 60 Jahre. Bei der Be-
trachtung einiger Beispiele wollen wir diese Sprünge, die durch die ganze
Farbe bis zum Grund zu reichen pflegen, unterscheiden von oberflächlichen
Rissen, die nur den letzten, obersten Farbenschichten zugehören. Die Sprünge
in alten Gemälden auf weißem Grund betreffen sehr oft auch den Grund
selbst, so daß sie tiefe Furchen bilden, in denen sich dunkler Schmutz
angesammelt hat, der sich nicht ohne Gefahr für das Bild gründlich ent-
fernen läßt und deshalb besser so weit belassen wird, als unschuldige Putz-
mittel ihn nicht mitgenommen haben. Die Risse im weißen Grund, die sich
sehr leicht einstellen, waren schon spätestens zu den Zeiten des Cennino
Cennini den Malern bekannt. Cennino gibt in seinem Traktat Anleitungen
zum Vermeiden solcher Risse. Abgescheuerte, gänzlich verputzte, geringe
Bilder auf craqueliertem weißen Grund gaben hie und da Anlaß zu Fäl-
schungen. Man malte nach Möglichkeit im alten Stil ziemlich dünn auf den
zerrissenen weißen Grund, der überall durchschimmerte und so durch sein
wirkliches Alter über die Jugendlichkeit der Malerei hinwegtäuschen konnte.
Gewöhnlich genügt scharfes Zusehen oder auch ein Putzversuch, um in
solchen Fällen falsch von echt zu unterscheiden.
Wir betrachten nun einige Bilder aus allerlei Galerien, um über den
Zeitpunkt, wann die Gemälde anfangen zu reißen, einige Andeutungen zu
gewinnen. Begreiflicherweise suchen wir uns Meister hervor, deren Werke
nicht schon längst ein ehrwürdiges Alter erreicht haben, sondern solche,
deren Bilder in unserer Zeit zu altern anfingen.
Beginnen wir mit einigen Ölgemälden aus den 1830er und 1840er
Jahren. Ein Dornersches Bild von 1832 in der Galerie Lotzbeck zu München
zeigt schon durchdringende Sprünge durch alle Schichten wie ältere Bilder.
In derselben Sammlung ist J. B. Kirners Bild von 1833 vielfach noch glatt
erhalten. Starke Risse waren 1912 nur mitten im Schwarz der Raffael-Figur
zu sehen. Eine kleine Gewitterlandschaft von Joh. Chr. Reinhard ebendort
aus dem Jahr 1839 war 1912 noch vollkommen gut erhalten. Sie ist auf
dicke Leinwand gemalt in der höchst soliden Technik der deutschen Maler,
die um die angedeutete Zeit in Rom tätig waren. Die Bilder des alten
Rahmenecke eines Bildes auf der Kehrseite eines anderen rutscht. War das
betroffene Bild schon in der Farbe genügend spröde, so bildet sich eine
ährenförmige Craquelure, die oft recht störend sein kann und sicher niemals
zur Zierde eines Gemäldes gereicht im Gegensatz zu gesunden, mäßigen
Gittersprüngen, die ja mithelfen, ehrwürdiges Alter der Gemälde nachzu-
weisen. (Beispiele in meinem Handbuch, 2. Aufl., S. 112.) Für Besucher
der Nationalgalerie zu Berlin sei auf Dehaussys Atelier von 1835 hinge-
wiesen, ein Bild, das neben älteren breiten Lasurenrissen auch eine auf-
fallende ährenförmige Craquelure blicken läßt.
In bezug auf das Erkennen des Alters spielt die Sprungbildung eine
nicht geringe Rolle. Doch ist es im Zusammenspiel der Merkmale doch
immer nur eine Rolle allein. Denn, wie schon angedeutet wurde, es gibt
alte Bilder, die sich ohne Sprünge einige Jahrhunderte lang erhalten haben,
und als Widerspiel findet man junge Gemälde, die echte oder auch falsche
Sprünge aufweisen. Vorsichtige Überlegung ist in jedem Fall geboten bei
Rückschlüssen von den Sprüngen aufs Alter der Bilder. Die soliden Gitter-
sprünge im ganzen Farbenkörper guter Ölgemälde erlauben allerdings die
Annahme, daß jene Bilder älter sind als etwa 50 bis 60 Jahre. Bei der Be-
trachtung einiger Beispiele wollen wir diese Sprünge, die durch die ganze
Farbe bis zum Grund zu reichen pflegen, unterscheiden von oberflächlichen
Rissen, die nur den letzten, obersten Farbenschichten zugehören. Die Sprünge
in alten Gemälden auf weißem Grund betreffen sehr oft auch den Grund
selbst, so daß sie tiefe Furchen bilden, in denen sich dunkler Schmutz
angesammelt hat, der sich nicht ohne Gefahr für das Bild gründlich ent-
fernen läßt und deshalb besser so weit belassen wird, als unschuldige Putz-
mittel ihn nicht mitgenommen haben. Die Risse im weißen Grund, die sich
sehr leicht einstellen, waren schon spätestens zu den Zeiten des Cennino
Cennini den Malern bekannt. Cennino gibt in seinem Traktat Anleitungen
zum Vermeiden solcher Risse. Abgescheuerte, gänzlich verputzte, geringe
Bilder auf craqueliertem weißen Grund gaben hie und da Anlaß zu Fäl-
schungen. Man malte nach Möglichkeit im alten Stil ziemlich dünn auf den
zerrissenen weißen Grund, der überall durchschimmerte und so durch sein
wirkliches Alter über die Jugendlichkeit der Malerei hinwegtäuschen konnte.
Gewöhnlich genügt scharfes Zusehen oder auch ein Putzversuch, um in
solchen Fällen falsch von echt zu unterscheiden.
Wir betrachten nun einige Bilder aus allerlei Galerien, um über den
Zeitpunkt, wann die Gemälde anfangen zu reißen, einige Andeutungen zu
gewinnen. Begreiflicherweise suchen wir uns Meister hervor, deren Werke
nicht schon längst ein ehrwürdiges Alter erreicht haben, sondern solche,
deren Bilder in unserer Zeit zu altern anfingen.
Beginnen wir mit einigen Ölgemälden aus den 1830er und 1840er
Jahren. Ein Dornersches Bild von 1832 in der Galerie Lotzbeck zu München
zeigt schon durchdringende Sprünge durch alle Schichten wie ältere Bilder.
In derselben Sammlung ist J. B. Kirners Bild von 1833 vielfach noch glatt
erhalten. Starke Risse waren 1912 nur mitten im Schwarz der Raffael-Figur
zu sehen. Eine kleine Gewitterlandschaft von Joh. Chr. Reinhard ebendort
aus dem Jahr 1839 war 1912 noch vollkommen gut erhalten. Sie ist auf
dicke Leinwand gemalt in der höchst soliden Technik der deutschen Maler,
die um die angedeutete Zeit in Rom tätig waren. Die Bilder des alten