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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Risse und Sprünge in Gemälden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0091

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verlaufende Verbindungen sind deutlich und gehören unzweifelhaft demselben
System von Holzsprüngen an. Mittendurch finden sich aber viele schief ver-
laufende kleine Sprünge. Diese gehören dem System der Leinwandsprünge
an und haben sich gewiß erst gebildet, nachdem das Bild von Holz auf
Leinwand gebracht worden war. Jedenfalls ist dies schon vor genügend
langer Zeit geschehen, um auf dem Gemälde, das ohnedies schon hart und
brüchig geworden war, neue Sprünge hervorzubringen. Diese nun ent-
sprechen den verschiedenen Spannungen in der neuen Stoffunterlage.
Auf Leinwandbildern, selten auf Tafelgemälden, begegnet uns häufig
genug eine Gruppierung von Sprüngen, die ungefähr gleichlaufenden (kon-
zentrischen) Kreisen entspricht, oder in Schneckenlinien verläuft, oder endlich
die speichenartig nach einer Mitte hinzielt. Diese Formen sind durch Stöße mit
stumpfen Werkzeugen gegen die Fläche entstanden. Dabei wurde die Malerei
annähernd in Form eines Kugelabschnittes, beziehungsweise der Oberfläche
einer Kalotte oder eines anderen Umdrehungskörpers bis nahe an die Kegel-
form heran ausgebaucht. Die Spannungen, wenn der Stoß genügend stark
war, wie es beim unvorsichtigen Aufräumen mit dem Besen nur zu leicht der
Fall ist, führen nun zu Rissen, die sich je nach der größeren oder geringeren
Gleichmäßigkeit der Farbenschicht und je nachdem sie von der Schönseite
oder Kehrseite her wirken, zu jenen Sprungfiguren, die oben angedeutet
wurden. Ein schief geführter Stoß wirkt augenscheinlich anders als ein senk-
recht angebrachter. Beispiele sind in großen und kleinen Sammlungen un-
schwer aufzufinden. Auffallend sind solche an dem größeren Furini in der
Wiener Galerie, ebendort an dem P. Bordone Nr. 248 (besonders am linken
Vorderarm) und an dem Hieronymus aus der Richtung der Tintoretto. Nie-
mand kann übersehen haben die konzentrische Craquelure auf dem Brust-
bild des Morone in der Brera zu Mailand (Nr. 89), ferner auf dem Baroccio
(Nr. 574) in derselben Galerie, ferner im Germanischen Museum zu Nürn-
berg an einem G. Desmarees (am Hals eines Damenbildnisses), weiterhin an
dem Feldherrnbildnis von Paolo Veronese aus dem Jahr 1596 in der Galerie
Martinengo zu Brescia (Nr. 18, unter dem Kinn), an dem großen Leinwand-
bild des J. v. Loo in der Kopenhagener Galerie (spiralige und konzentrische
Formen), endlich auch an dem Bild: Die Schwestern von Diethelm Meyer
im Museum zu Bern. In kleinem Maßstab kann sich diese rundliche Form
der Sprunglinien auch auf weißem Grund von Holzbildern einstellen, wenn
der Kreidegrund genug dick und nachgiebig ist. Einen solchen Fall habe
ich genau untersucht und angemerkt an einem Gemälde aus Kranachs Werk-
statt, das 1909 bei Gerisch in Wien zur Restaurierung gewesen. Allgemein
zugänglich ist ein großer Kranach im Wiener Hofmuseum (Nr. 1462, das
Paradies von 1530). Diese Sprünge am Ellenbogen des Adam, an Brust und
Bauch der Eva. Die Risse an der Brust der Eva sind zum Teil durch alte,
dicke Retuschen beeinflußt. Unverdächtig alt sind die rundlich gebogenen
Sprünge in der Magengrube und nach den Lenden zu. Im übrigen findet
sich auf diesem Tafelbilde die gewöhnliche Craquelure der Holzgemälde.
Die kleine Judith des M. Ostendorfer von 1530 in der Kölner Galerie gibt
neben der gewöhnlichen Holzcraquelure rechts von der Nase auch einige
rundliche Formen von Sprüngen zu sehen.
Bei aufgeschichteten Bildern, von denen das eine oder andere hervor-
geholt werden soll, kommt es ungeübten Händen zuweilen vor, daß die
 
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