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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Ein signiertes Bild von Josef Grandauer in der Sammlung R. Wittig
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0077
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EIN SIGNIERTES BILD VON JOSEF GRANDAUER IN DER SAMMLUNG
R. WITTIG.
Zu den beachtenswerten Künstlergestalten des alten Wien gehört auch
Josef Grandauer, ein Zeitgenosse Waldmüllers, Eybls, Weidners, Dan-
hausers. Sichere Werke von seiner Hand sind überaus selten geworden. Ich
vermute, daß sie unter fremder Flagge segeln, und bei einigen sogenannten
Eybl und Danhauser kann ich den Verdacht nicht loswerden, daß sie von
Grandauer gemalt sind. Wie ich annehmen möchte, ist es den Lesern der
Studien und Skizzen willkommen, ein völlig beglaubigtes Werk Grandauers
in Abbildung kennenzulernen.
Tafel XXII gibt ein Ölgemälde wieder, das nicht nur echt signiert
ist, sondern auch einen nahezu lückenlosen Herkunftsnachweis zur Ver-
fügung hat. Das Bild stammt aus dem alten Kunstverein, wo es 1849
zur Verlosung kam. Bei dieser Gelegenheit gelangte es in den Besitz einer
Beamtenfamilie, mit der es nach Amstetten, Klosterneuburg, Laa a. d. Thaya,
Neunkirchen am Steinfeld wanderte. Später, seit 1892, gehörte es meiner
Stiefmutter Luise v. Frimmel, nach deren Ableben (1911) es in den Kunst-
handel kam. In neuester Zeit ist es von dem emsigen Wiener Sammler
Rudolf Wittig erworben worden.
Das Gemälde ist gut erhalten, mißt 54 cm in der Höhe und 45 in
der Breite, sitzt auf dickem Malkarton und zeigt rechts unten die Signatur
„Grandauer“ in lateinischer Pinselkursive.
Jos. Grandauer ist nach Angaben aus der Familie Anfang Februar
1822 geboren. Damit stimmt auch Lotts Angabe aus der Wiener Akademie
der bildenden Künste überein. Aus der Familie Weidner stammt die be-
stimmte Nachricht, daß Grandauer, der Sohn eines Gastwirtes im Wiener
Prater, als Künstler an Jos. Weidner anknüpfte, dessen Schüler er war.*)
Die Lehrzeit bei Weidner fällt jedenfalls erst nach der Ausbildung in der
Akademie der bildenden Künste; an der Akademie lernte Grandauer vom
April 1839 bis gegen die Mitte der 1840er Jahre. Bei Grandauers Töchtern
haben sich viele Zeichnungen aus den akademischen Jahren des Künstlers
erhalten, Aktstudien und anderes. Zeichnungen nach Gipsen, nach Le Bruns
Charakterköpfen, nach einem Schmutzerschen Engelskopf, diese aus den vor-
akademischen Jahren und mit Datierungen 1837 und 1838, geben uns An-
haltspunkte, die entschiedene Begabung des Jünglings zu erkennen. Vorläufig
nicht zu datieren sind die Entwürfe zu einem figurenreichen Sittenbild mit
einer reichen, wohlbeleibten Almosenspenderin.
Grandauer hat lange Zeit mit dem Dichter Adalbert Stifter in Ver-
bindung gestanden; er porträtierte auch Stifter und dessen Gemahlin. Bei
Grandauers Witwe habe ich vor Jahren noch einen Brief Stifters an Gran-
dauer aus dem März 1866 gesehen. Seither ist das Dokument in andere
Hände übergegangen. Eine Zeitlang war Grandauer Zeichenlehrer an der
Oberrealschule zu Linz an der Donau. Dort lebte bekanntlich auch Stifter.
Seine spätere Lehrtätigkeit wurde von Grandauer an der Oberrealschule im
Wiener Bezirk Landstraße ausgeübt. Mit seiner pädagogischen Tätigkeit hängt
*) Zum Vater Grandauer vgl. auch Georg Meyrs Erinnerungen an Karl Rahl,
S. 48 f., 52, 134. Altwiener Künstler aus der Rahlgruppe pflegten in Orandauers Gast-
haus zu verkehren.
 
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